Filmreview: „Caníbal“ (2013)

Canibal 2013
 
 
 

CANíBAL

Story

 
 
 
Einzelgänger Carlos führt ein Doppelleben. Tagsüber ist er Schneider für Herrenmode, der von allen wegen seines Könnens geschätzt wird. Abends verwandelt er sich in ein Monster und ermordet ausländische Frauen, um seinen Vorrat an menschlichem Fleisch aufzufüllen. Als er der schönen Nina begegnet gerät sein bisher geregeltes Leben aus den Fugen und sein Geheimnis droht aufzufliegen …
 
 
 


 
 
 

CANíBAL – Kritik

 
 
 
Carlos (ANTONIO DE LA TORRE) ist schon ein eigensinniger Kerl. Freunde hat er keine und Erfüllung findet er wenn dann nur im Berufsleben. Er ist Schneider, hat einen ausgeprägten Sinn für schöne Dinge, ist diszipliniert und beherrscht. Leider frönt er auch einer sehr speziellen Leidenschaft, denn in der Filmwelt ist es nicht selten der Fall, dass gerade die unscheinbaren Charaktere dutzende Leichen im Keller stapeln. Wie der Titel bereits verrät ist der stille Schönling ein Kannibale, besitzt eine schlichte Hütte in den Bergen, wo er bevorzugt schöne Damen ausnimmt um anschließend deren Fleisch in das Stadtapartment zu bringen. Dort versteckt er das Schlachtgut akkurat übereinandergelegt im Kühlschrank und gönnt sich allabendlich menschliches Steak zu gutem Wein. In Spanien scheint man neuerdings die Vorzüge von Kannibalismus im Kino erkannt zu haben, denn nach OMNíVOROS kommt nun mit CANíBAL bereits der zweite Streifen in Folge in die weltweiten Wohnzimmer, der sich mit der kontroversen Problematik der Menschenfresserei beschäftigt. Doch bevor der Horrorfan bei derart zusagender Inhaltsangabe Freudensprünge veranstaltet, dürfte die euphorische Stimmung schnell wieder einen Dämpfer bekommen, schließlich wird mit CANíBAL eher anspruchsvoll in Szene gesetztes Arthouse-Kino geboten und keine dieser unnötigen Blutorgien, in denen die Opfer möglichst detailgenau und blutig ermordet werden.
 
Getreu dem Motto „Auch Kannibalen brauchen Liebe“ thematisiert CANíBAL eine sehr sonderbare Liebesgeschichte, die von einem Mann handelt, der im Grunde genommen keinerlei Sympathien oder Mitgefühle für seine Mitmenschen entwickeln kann. Umso leichter geht ihm das Töten von der Hand. Er inszeniert Unfälle, um an menschliche Beute zu gelangen und geht dabei stets nach gleichem Muster vor. Sein gesamtes Leben folgt einer präzisen Choreografie und gleiche Abläufe helfen dem Eigenbrödler den Alltag zu bestreiten. Doch die genau durchgeplante, tägliche Linearität verliert an Gewichtung als Carlos die attraktive und zurückhaltende Nina (OLIMPIA MELINTE) kennenlernt. Die hat schon seit Ewigkeiten nichts mehr von der Schwester gehört und hofft nun auf Antworten über ihren Verbleib. Nina bezieht die Wohnung ihrer Zwillingsschwester und freundet sich mit Carlos an, der im Haus gegenüber wohnt. Schnell entwickelt sich Sympathie zwischen den beiden und eine innige Zuneigung beginnt sich anzubahnen. Natürlich erahnt Nina schon bald, dass mit ihrem neuen Nachbarn so einiges nicht zu stimmen scheint, denn je näher sie dem Sonderling kommt, um so zwanghaft distanzierter verhält sich Carlos.
 
Der Spanier MANUEL MARTIN CUENCA hat mit seinem CANíBAL einen sehr unkonventionellen Kannibalenfilm gedreht, der die Thematik vom Menschenfleisch verzehrenden Außenseiter nur als Alibifunktion benutzt und eigentlich mehr Drama als Horror ist. Die Kannibalenthematik wird, insofern sie dann überhaupt einmal an Bedeutung gewinnt, nur sehr oberflächlich angerissen. Stattdessen ist CUENCA damit beschäftigt die verbohrte Persönlichkeit eines gefühlskalten Mannes zu beleuchten, der vehement versucht gegen Gefühle und Emotionen anzukämpfen. Für hohle Gewalt und blutgeilen Splatter bleibt da keine Zeit, schließlich ist CUENCA bestrebt einen gewissen Anspruch zu bewahren. Wir sehen lange Kameraeinstellungen, in denen kaum gesprochen wird, nahezu spartanisch und altmodisch eingerichtete Bühnenbilder sowie einen stillen Killer, der eine distanzierten Haltung zu menschlichen Nähe besitzt und bedrückend authentisch von Schauspieler ANTONIO DE LA TORRE verkörpert wird. Der gehört in Spanien zur Schauspielelite, ist Multitalent und sowohl in Spielfilmen und Theateraufführungen als auch in TV-Serien präsent.
 
Auch wenn die unmenschlichen Verbrechen im Film zu keiner Zeit bebildert, die Beweggründe für die Morde nicht näher beleuchtet werden und es sich bei Carlos um keinen dieser kaltblütigen Irren handelt, die in ähnlichen Horrormachwerken partout damit beschäftigt sind die Leinwand rot zu färben, lohnt eine Sichtung des Streifens. Die langsam erzählte Charakterstudie konzentriert sich auf das Wesentliche, nimmt sich Zeit für seine Figuren und besitzt gute Schauspieler, die auch mit wenigen Worten einander verständigen können. So dürfte das minimalistische Drama zumindest für jene Horrorfans von Interesse sein, die sich hin und wieder lieber gut durchdachte und präzis erzählte Geschichten mit Anspruch gönnen, als reißerische Horrorfilme, in denen sich Foltergesellen ausschließlich im Blut ihrer Opfer suhlen.
 
 
 


 
 
 

CANíBAL – Fazit

 
 
 
7 Punkte Final
 
 
 
Der Kannibalenfilm goes Arthouse. Spanien entdeckt das Menschenfresser-Genre für sich, bringt aber mit CANíBAL einen etwas ungewöhnlichen Streifen dieser Art in die internationalen Wohnzimmer. Hier wird weder blutgeil vor der Kamera gemordet, noch das gar abartige Fressen von Menschenfleisch zelebriert. Statt Exploitation gibt es hier Drama satt für all jene, die einen gewissen Anspruch auch bei Horrorfilmen erwarten. Für den Streifen hat man hervorragende Schauspieler gewinnen können, deren Figuren genügend Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden, damit sich der Zuschauer schnell mit ihnen identifizieren kann. Kannibale Carlos nimmt hier eine Sonderstellung ein. Der wird nämlich nicht zur unberechenbaren Killermaschine deklariert, sondern entpuppt sich als gesitteter und geheimnisvoller Schönling, dem die Frauen zu Füßen liegen. Hat man sich erst einmal an die seltsamen Umstände dieser etwas andere Liebesgeschichte gewöhnt, lässt CANíBAL so schnell nicht wieder los. Ein Grund mehr, warum sich Horrorfilmmacher so langsam mal bewusst werden sollten, dass man Genrestreifen nicht zwangsläufig im Blut ertränken muss. Anständiges Niveau, intelligente Geschichten und Sinn für Ästhetik sind auch im Jahr 2014 stets willkommene Filmzutaten – auch im Horrorfilm.
 
 
 


 
 
 

CANíBAL – Zensur

 
 
 
CANíBAL ist keiner dieser Filme, in denen schaufreudig Menschenfleisch gefressen wird. Es gibt nicht einen expliziten Gewaltakt zu sehen. Das Meiste passiert im Off und in den Köpfen der Zuschauer. Dennoch gehen wir aufgrund der heiklen Thematik des Films von einer ungeschnittenen FSK16 aus.
 
 
 


 
 
 

CANíBAL – Trailer

 
 


 
 

Marcel Demuth (Hellraiser80)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Butcher Boys (2012)
 
Hannibal (2001)
 
Lebendig gefressen (1980)
 
Ravenous – Friss oder stirb (1999)
 
Cannibal (2006)
 

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