Böse Kinder müssen nicht immer vom Teufel besessen sein, wie uns „Orphan – Das Waisenkind“ 2009 eindrucksvoll bewies.
ORPHAN – Kritik
Das Horrorsubgenre „Evil Child“ wurde schon oftmals bedient. Als Klassiker kann hier wohl „Das Omen“ aufgeführt werden, doch es muss nicht immer mit Satan höchstpersönlich zu tun haben. „Orphan – Das Waisenkind“ überraschte 2009 vor allen Dingen mit einem Twist, der sich gewaschen hat. Natürlich verliert das Werk bei einem Rewatch etwas von seiner Wirkung, aber selbst nach mehrmaligem Schauen besitzt der Film noch immer seinen Reiz, weil er einfach clever und wirkungsvoll gestaltet wurde.
Die Geschichte wirkt auf den ersten Blick wenig originell. Eine Familie adoptiert ein Mädchen aus dem Waisenhaus. Am Anfang läuft alles wunderbar, doch irgendetwas scheint mit dem Mädchen nicht zu stimmen. Das bemerkt vor allen Dingen die Mutter und natürlich will ihr niemand glauben, bis es dann fast schon zu spät ist. So ausgelutscht die Prämisse anfangs auch erscheinen mag, so viel macht man hier aber auch daraus. Die Dramaturgie stimmt einfach. Sämtliche Probleme erscheinen realitätsnah und dienen dem Plot wunderbar. Hinzu gesellt sich ein gekonnter Aufbau. Alles beginnt schön ruhig, nahezu friedlich und erst nach für nach häufen sich dann die Horror-Elemente. Wobei der Horror hier schon fast eher im Stile eines Psychothrillers aufkommt. Übernatürliche Elemente benötigt „Orphan – Das Waisenkind“ nämlich absolut nicht. Das wirkliche Highlight ist dann natürlich die finale Wendung, welche damals einfach äußerst überraschend daherkam. Selbstverständlich gibt es ein paar Logikfehler und genretypisch ist nicht alles am Verlauf völlig glaubwürdig. Trotzdem kann sich das Drehbuch sehen lassen und funktioniert auch 14 Jahre später noch wunderbar.
Das liegt vor allen Dingen an zwei Punkten. Zunächst wäre da eine wirkungsvolle Inszenierung, die auf billige Schockeffekte verzichtet und dafür eher eine Art Suspense hervorzaubert. Ganz ohne Effekthascherei baut „Orphan – Das Waisenkind“ eine bedrohliche Stimmung auf und ist teilweise herrlich böse. Selbst wenn man das Geschehen schon kennt, entsteht hier regelmäßig eine angenehme Portion Spannung, welche die rund zwei Stunden Laufzeit zügig vergehen lässt. Außerdem hätten wir da eine hervorragende Isabelle Fuhrman. Das zur Drehzeit erst elfjährige Mädchen liefert wirklich eine eindrucksvolle Leistung ab. Es ist schon bemerkenswert, wie sich ihr Schauspiel in Sekundenschnelle von unschuldig zu diabolisch wandelt. Über den Rest der Darsteller kann man allerdings ebenfalls nicht meckern und Vera Farmiga liefert, wie gewohnt, sehr ordentlich ab.
ORPHAN – Fazit
„Orphan – Das Waisenkind“ ist ein origineller, kleiner, fieser Horrorthriller, der auf unnötige Effekte verzichtet und dafür eine Geschichte mit einem grandiosen Twist erzählt. Die Inszenierung sitzt, die düstere Atmosphäre erzielt ihre Wirkung und die Darsteller können völlig überzeugen. Selbst wenn die Ausgangssituation langweilig erscheinen mag, hat man aus dieser richtig viel gemacht. Der Freund solcher Werke wird hier jedenfalls zwei Stunden lang effektiv und spannend unterhalten. Auch aus heutiger Sicht durchaus noch sehr empfehlenswert! Übrigens erschien mit „Orphan: First Kill“ im Jahr 2022 ein Prequel, das aber nicht mehr an die Originalität des Originalfilms heranreichen konnte.
ORPHAN – Zensur
Die deutsche Fassung von „Orphan – Das Waisenkind“ ist ungeschnitten und frei ab 16 Jahren. Viel Gewalt wird im Film nicht gezeigt, weshalb die niedrige Freigabe gerechtfertigt ist.
ORPHAN – Deutsche Blu-ray
(c) StudioCanal (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Orphan; USA 2009
Genre: Horror, Drama, Krimis
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Deutsch DD 2.0, Englisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Bild: 1.77:1 | @23,976 Hz
Laufzeit: ca. 123 Min.
FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)
Verpackung: KeepCase
Extras: Manns kleine Teufel: Böse Saat und fiese Kinder, Geschnittene Szenen und alternatives Ende, Interviews, Trailer, BD-Live
Wenn Esther 13 Jahre nach dem Original doch nochmal zurückkehrt, darf der Zuschauer schon skeptisch werden, wie das denn funktionieren soll.
ORPHAN: FIRST KILL – Kritik
Ja, in der Filmbranche gibt es auch weiterhin fleißig Fortsetzungen. Auch zu jenen kleinen Perlen, die eigentlich als einzelnes Werk für sich stehen und als abgeschlossen betrachtet werden können. Jedenfalls ist es fraglich, ob jemals jemand eine Fortsetzung zu „Orphan – Das Waisenkind“ erwartet oder herbeigesehnt hat. Da die Geschichte zu Ende erzählt war, hat man sich ganz einfach für ein Prequel entschieden, was durchaus keine dumme Entscheidung war. Immerhin ist die Vorgeschichte von Esther noch nicht so stark durchleuchtet worden. Es sind zwar ein paar Probleme vorhanden, die skeptisch machen dürften, aber geht man unvoreingenommen an „Orphan: First Kill“ heran, dann bekommt man immerhin einen recht kurzweiligen Reißer geboten. Wer hingegen eine ähnliche Qualität erwartet, die das tolle Original bot, der hat bereits verloren.
Dass Esther im ersten Teil gar kein Kind, sondern eine erwachsene Frau mit einer Hormonstörung war, die sie nur wie ein Kind aussehen ließ, dürfte jeder Kenner des Filmes mittlerweile wissen. Wie Esther zu einer mordenden Trickbetrügerin wurde, weiß man hingegen noch nicht. Also steigt „Orphan: First Kill“ in einer Prämisse ein, in welcher Leena Klammer sich erst noch für ihren zukünftigen Charakter Esther entscheiden muss. Nach einem Ausbruch aus der Psychiatrie findet sich schon bald eine Familie, die ihre Tochter vermisst. Zufällig ist das Aussehen ganz ähnlich und so versucht sich Leena bzw. Esther in ein funktionierendes Familienleben einzunisten.
Dass das nichts werden kann, ist klar, denn immerhin muss ja etwas geschehen sein damit der Anfang des ersten Teils einen Sinn ergibt. Dass es sich bei Esther um kein Kind handelt, weiß der Zuschauer bereits und somit kann man hier keine Überraschungen mehr bieten. Deshalb muss ein anderer großer Twist daher. Dieser kommt, zugegeben, ebenfalls sehr überraschend, ist aber gleichzeitig dermaßen unglaubwürdig, bizarr und konstruiert, dass er niemals eine solche Wirkung entfalten kann, wie der aus dem Original. Sowieso wird im Drehbuch hinterher alles sehr schnell abgehandelt und die gesamte Geschichte mag zwar als Prequel halbwegs Sinn ergeben, clever geschrieben wurde sie jedoch absolut nicht.
Was zudem sofort skeptisch machen sollte, ist Hauptdarstellerin Isabelle Fuhrman. Im ersten Teil konnte sie das böse Kind grandios spielen. Da war sie aber auch noch ein Kind. Mittlerweile sind 13 Jahre vergangen und Fuhrman ist nun 25 Jahre alt. Trotzdem muss sie nochmal in die Rolle der Esther schlüpfen. Dazu muss man bedenken, dass es sich bei „Orphan: First Kill“ um keine Big-Budget-Produktion handelt, die mit dem neusten Stand der Technik einfach mal so alles und jeden digital verjüngern kann. Im Endeffekt haben sich die Macher schon Mühe gegeben, aber Fuhrman sieht trotzdem nicht mehr wie ein Kind aus. Das raubt dem gesamten Werk Glaubwürdigkeit. Gut gespielt wird diese Rolle von Fuhrman dennoch; da gibt es keinerlei Grund zu meckern. Auch die anderen Darsteller erledigen ihren Job solide. Hängen bleibt von den Leistungen allerdings nicht viel und auch die Figurenzeichnung ist weit weg von der Bodenständigkeit des ersten Teils. Es ist zwar schön, dass man versucht Leena Klammer noch mehr Profil zu verleihen, doch im Endeffekt bleibt es beim Versuch, denn wirklich geglückt ist es nicht.
Sowieso ist es diese fehlende Bodenständigkeit, die im Vergleich zum Erstling eher störend ist. Dass die Gangart deutlich übertriebener sein wird, bemerkt man von Anfang an. Einen subtilen Spannungsaufbau sucht der Zuschauer vergebens. Stattdessen wird auf mehr Gewalt, mehr Effekte und mehr Action gesetzt. Regisseur William Brent Bell kennt sich in dem Genre zwar aus und liefert als Regisseur eine passable Leistung ab, aber eine eigene Handschrift erkennt man eher weniger und sowieso wirkt das alles ziemlich generisch. Für Freunde des ersten Teils ist es schön, dass ein paar Markenzeichen erhalten geblieben sind, doch im Endeffekt macht das alles einen reichlich beliebigen Eindruck. So enttäuscht dann auch die Atmosphäre eher. Das hat nun weder etwas mit richtigem Horror, noch etwas mit Psychothriller zu tun. Stattdessen kommt man sich fast wie in einer Groteske vor.
Hat man sich damit erstmal abgefunden, kann man wenigstens halbwegs Spaß mit „Orphan: First Kill“ haben. Das Tempo ist wirklich enorm hoch und einen Leerlauf gibt es nicht. Sobald die haarsträubende Wendung heraus ist, geht der Film nochmal in eine ganz andere Richtung. Das Finale ist völlig unnötig übertrieben, aber man kann sich immerhin nicht über zu viel Langeweile beklagen. Insgesamt ist das gesamte Werk ganz schön bekloppt und lässt sich absolut nicht ernst nehmen. Das wäre an sich nicht schlimm, denn wenigstens kopiert man das Original somit nicht einfach, doch gerade wenn man sich den atmosphärisch sehr gelungenen ersten Teil ins Gedächtnis ruft, dann missfällt der eingeschlagene Weg hier doch etwas.
ORPHAN: FIRST KILL – Fazit
„Orphan: First Kill“ ist eine unnötige Fortsetzung, die aber doch anders daherkommt, als das zu erwarten war. Das Drehbuch lässt sich nicht ernst nehmen, wartet mit einer völlig unglaubwürdigen Wendung auf und könnte schon fast als albern bezeichnet werden. Außerdem ist es ein großes Problem, dass man Isabelle Fuhrman das Kind einfach nicht mehr abnimmt. Gespielt wird das dennoch brauchbar und auch aus handwerklicher Sicht lassen sich nur wenig Vorwürfe machen. Loben kann man das Ergebnis hingegen jedoch auch nicht wirklich. Die Atmosphäre versagt leider und ist zu grotesk, während der Unterhaltungswert dank eines hohen Tempos wenigstens solide ist. Am Ende bleibt ein recht durchschnittlicher Film, den man lieben oder hassen kann, den man aber auf gar keinen Fall mit dem starken Original vergleichen kann. Insgesamt etwas merkwürdig und trotzdem vergessenswert!
ORPHAN: FIRST KILL – Zensur
Die deutsche Fassung von „Orphan: First Kill“ ist ungeschnitten und frei ab 16 Jahren. Sonderlich blutig ist der Film nicht.
ORPHAN: FIRST KILL – Deutsche Blu-ray
(c) StudioCanal (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Orphan: First Kill; Kanada 2022
Genre: Horror, Drama, Krimis
Ton: Deutsch DTS-HD MA 7.1, Englisch DTS-HD MA 7.1
Ein Mädchen, das ihren Vater verloren hat und ein verbitterter Polizist werden durch die Freilassung eines psychopathischen Serienkillers in eine komplizierte und gefährliche Beziehung verstrickt.
MISSING YOU – Kritik
Die Flut an südkoreanischen, modernen Genretiteln aus der Serienkiller- und Thrillerecke reißt nicht ab und ausgerechnet ein Debütfilm ist es, der mich mit seiner cleveren Erzählung und seinen herausragenden Performances begeistern konnte. Vor mittlerweile sechs Jahren hat Mo Hong-jin sein eigenes Script verfilmt und wer auch immer diesen Film gecastet hat, hat ganze Arbeit geleistet: Shim Eun-kyung, inzwischen am ehesten bekannt durch ihre Rolle in „Train to Busan“ spielt mit, Kim Sung-oh aus dem Meisterwerk „A Bittersweet Life“ oder auch „The Man from Nowhere“ brilliert als berechnender Psychopath und eiskalter Serienkiller, nahezu an „Heat“ erinnernde, spannende Dialogduelle und Showdowns liefert dieser sich mit Dae-young, gespielt von Yoon Je-moon, den man durch mehrere Rollen aus Bong Joon-ho’s Filmografie auch kennen sollte. Von „The Villainess“ über „Oldboy“ bis hin zu Hong Sang-soo’s „On the Beach at Night Alone“ ziehen sich die Referenzen des restlichen Casts, jede Rolle sitzt.
Das größte Herausstellungsmerkmal dieser Produktion ist meiner Meinung nach allerdings keine technische Eigenschaft, weder die hochwertig ausschauende Produktion noch das durch die Bank weg grundsolide bis hervorragende Schauspiel des Casts, sondern das Script – denn hinter dem unerklärlich hässlichen und nichtssagenden Cover der deutschen Veröffentlichung verbirgt sich tatsächlich alles andere, als der nächste 0815-Rachefilm.
Dass wir in dem überdramatischen Intro des Films, noch vor der Titlecard, in acht Minuten ganze drei dramatische, tragische Schicksale unter Einsatz von Geigen und Klavier in Zeitlupe erzählt bekommen, ist dabei zugegebenermaßen allzu dick aufgetragen und ungeschickt gereiht. Und ja, auch die darauffolgenden, anfänglichen Minuten wirken wie die eines allzu sentimalen, allzu harmlosen, ggf. allzu animehaften Werks. Doch sobald unsere auf sich gestellte, junge Protagonistin (Shim Eun-kyung) etabliert ist, startet „Missing You“ auch ohne weitere Verzögerungen mit der Freilassung unseres Antagonisten, der zugleich von Detective Dae-young drangsaliert und provoziert wird. Dies soll nicht die letzte Konfrontation zwischen dem schüchternen und schwächlich wirkendem, aber absolut gerissen-soziopathischem Killer und unserem kantigen Polizisten werden und jede dieser Szenen erinnert entfernt an „Heat“, schafft es innerhalb weniger Minuten eine stimmige Chemie und Anspannung zu erzeugen.
Zu einem Soundtrack, den mal wohl treffend als „Anime-Wohlfühlmusik“ bezeichnen könnte, sitzt unsere junge Protagonistin verträumt auf Häuserdächern, schaut sich ein Geigenkonzert an oder schenkt einem Polizisten zum Weltkrebstag eine rote Schleife; ihre ganze Wohnung ist voller Post-It-Notes und meine Angst vor zu sentimentaler, harmloser Unterhaltung wurde kurz wach – doch wenige Sekunden später trifft Hee-ju auf einen älteren Mann und warnt ihn unvermittelt, dass er bald sterben würde. Als sei das noch nicht fragezeichenverursachend genug, wird nun noch ein neuer Cop im Präsidium instruiert, was für griffige sowie glaubhafte Exposition genutzt wird: Und hier macht „Missing You“ dann auch unmissverständlich klar, dass Leichtherzigkeit oder Humor hier grundlegend falsch am Platz wären: Der gesuchte Killer vergewaltigt Frauen, bricht ihnen dabei beide Arme und erstickt sie dann, hat damals bereits seine Freundin umgebracht, direkt nach dieser Information wird in einer stilsicher eingefangenen Szene auf einem verregneten Parkplatz ein Zuhälter umgebracht; anderswo eine mit einem Stift (!) erstochene Prostituierte gefunden. Alles das Werk von Ki-Bum?
Von einer Rachegeschichte mit einem unzuverlässigen Erzähler über eine „Junge Frau bringt Killer zur Strecke“-Storyline ohne doppelten Boden bis hin zu einem übernatürlichen Thriller mit völlig anderem Ausgang ist nach den ersten 25 Minuten noch so ziemlich alles möglich; und da „Missing You“ auch noch stolze 104 Minuten lang ist, bleiben zu diesem Zeitpunkt sogar noch ganze 83 davon, um die Geschichte weiter zu formen und aus zu erzählen. Genau dadurch macht es nun auch wirklich Spaß, mit anzuschauen, wie sich aus den teils nebulösen oder unzusammenhängend wirkenden Handlungen ein sinnvolles, kohärentes Netz aus Charaktermotivationen, schonungslosen Morden, schicksalhaften Begegnungen und wirklich spannenden Ego-Spielereien spinnt. Hauptantagonist Ki-Bum erzählt in fast jeder Szene von seiner Überlegenheit, wird in Sachen „Coolness“ aber von einem anderen Gegenspieler überschattet, der eigentlich weder korrupte noch sonst wie unsympathische Cop hingegen hat größte Probleme damit, seine Aggressionen im Griff zu halten und rastet regelmäßig aus. Spätestens nach 40 Minuten fallen viele Puzzlestücke in ihren Platz und aus dem unklaren, qualitativ sowie tonal schwankendem Beginn entsteht ein packender, spannender und mitreißender Serienkiller-Thriller.
Wer für rabiate, blutige, südkoreanische Killer-Hetzjagden á la „The Chaser“ also was übrig, an Rachegeschichten und Polizeithrillern mit spannenden Katz-und-Maus-Spiel-Szenen des „sich fast Entdeckens“ seinen Spaß hat und seine Kämpfe lieber intensiv, kurz und realistisch statt möglichst saftig und ausartend inszeniert sieht, der dürfte an dieser deutlich überdurchschnittlichen Genrekost mit ihrer elektrisierenden Trommelscore definitiv etwas abgewinnen können – und das unerwartet dramatische, konsequente sowie mehr als solide inszenierte Ende ist hier nur noch die Kirsche obendrauf.
MISSING YOU – Fazit
Als Gesamtwerk wenig origineller, dafür aber fast durchgängig durch Spannung, Neugierde oder Dramatik unterhaltender Serienkiller-Thriller mit einigen gut geschriebenen Wendungen, packenden Begegnungen und einem überzeugenden Cast. Verläuft nicht wie man vielleicht meinen sollte und schrammt ganz knapp an der 8 vorbei.
MISSING YOU – Zensur
Die deutsche Fassung von „Missing You – Mein ist die Rache“ ist ungeschnitten und frei ab 18 Jahren.
MISSING YOU – Deutsche Blu-ray
(c) Busch Media Group (Blu-ray im KeepCase)
(c) Busch Media Group (Blu-ray + DVD im Mediabook)
Ein unter steter Gewalt und Verwahrlosung aufgewachsenes Geschwisterpaar hat es gerade geschafft sich eine halbwegs stabile Perspektive aufzubauen, als die Wunden der Vergangenheit unvermittelt wieder aufgerissen werden.
WHEN I CONSUME YOU – Kritik
Der letzte Film meiner Festivalauswahl stammt aus der Feder und Regie des amerikanischen Regisseurs Perry Blackshear, dessen eindringlichen, psychologischen Charakter-Dramathriller „They Look Like People“ ich indieaffinen Genrefans nur ans Herz legen kann. Sowohl die grobe Genrebezeichnung, als auch die bewusst kleine Skalierung hat sein neuestes Werk mit dem Film aus 2015 gemein, doch während „They Look Like People“ noch vom Kontrast der Charakter seiner Hauptprotagonisten lebte und zudem einige perfekt durchkomponierte, distanzierte Einstellungen präsentierte, geht es bei „When I consume you“ noch eine gute Spur düsterer, persönlicher, eindringlicher und nahgegehender zu.
„Are you okay?“
Zu einem lauten Knall springt eine Tür auf und Daphne spuckt Blut sowie einen Zahn ins Waschbecken. Die junge Frau hat ein mysteriöses Symbol auf ihr Handgelenk tättowiert und hört einen Piepton, dann sitzt eine nackte Person mit leuchtenden Augen unvermittelt direkt vor dem Zuschauer und meine Nackenhaare haben sich innerhalb weniger Minuten aufgestellt. Willkommen bei 90 Minuten Angstzuständen.
„Evil is still out there and I will find it.“
Daphne und Wilson sind Geschwister, die nur durch gegenseitige Unterstützung eine traumatisierende und gewalttätige Kindheit, danach ihre unausgeglichenen und überstürzten Zwanziger überlebt haben. Nach Jahren der Therapie und Vergangenheitsbewältigung scheinen beide noch täglich an ihren Wunden zu knabbern zu haben, doch da Daphne erfolgreich als Project Manager einer großen Firma arbeitet und Wilson einer geregelten Existenz als Hausmeister nachkommt, neben der er auch noch eine Abendschule besucht um irgendwann Lehrer zu werden und anderen Leuten zu helfen, wagen sie es nun erstmals über eine Adoption nachzudenken. „With your history, what would you do if you were me?“ lautet die niederschmetternde Antwort auf die Nachfrage, die handgefilmten Einstellungen der überzeugend gespielten Verzweiflung auf Seiten unserer Protagonisten sind stets nah dran und unmittelbar, wirken authentisch.
„I have plans for you.“
Ebenfalls realistisch wirkt die beklemmende Panikattacke die Wilson unerwartet plagt, als er in bester Stimmung mit seinen Freunden Karten spielt – erst als er mit Daphne zusammen die Nacht auf dem Balkon verbringt und den Sonnenaufgang beobachtet, scheint er sich wieder etwas zu sammeln. Doch selbst diese kleine Hoffnung auf Besserung oder eine geregelte Zukunft wird am schicksalhaften Tag seines Job-Interviews dann auch noch genommen, und von hier an startet, unterstützt von clever genutzten POV-Aufnahmen, der eigentliche Ritt in den Abgrund.
„All this pain is just part of a process!“
Während ich die Wiedergabe des „Was“ aus Spoiler- und Effektivitätsgründen bereits an dieser Stelle beenden möchte, so ist das „Wie“ doch noch einige Zeilen wert: Denn „When I Consume You“ lebt viel mehr von seiner Atmosphäre, Trostlosigkeit, Inszenierung und durch die Charaktere statt Drastik nahegehender Brutalität, denn von einer allzu originellen oder neuen Story. Die dreckige Großstadtkulisse ist auf dunkle Wohngebiete, unterbeleuchtete Parkplätze und versiffte Seitengassen beschränkt, im Hintergrund stets die Mischung aus dröhnenden Autobahnen, Schüssen, kläffenden Hunden und Polizeisirenen. Inmitten dieses Molochs finden sich zwei verzweifelte und vernarbte Seelen, die nur ihr gegenüber haben um mit sich, ihrer Situation und Vergangenheit klar zu kommen.
„Everything is the ocean and we’re just waves.“
Dass die ab Zeitpunk x angedeutete Route bzw. Auflösung bis zum Ende durchgehalten wird ist im späteren Verlauf genau so konsequent wie vorhersehbar und dadurch weniger effektiv, auch stört das teils laienhafte Schauspiel eines einzelnen, overactenden Charakters den Fluss des Films und die Grundprämisse und Spannung von Blackshears vorherigen Slowburn fand ich deutlich spannender. Dennoch, von zwei eher unnötigen Jumpscares und einer nervigen Übererklärung am Ende abgesehen klappt der leichte Horror-Faktor im Hintergrund des Films dadurch so gut, dass die Ausgangssituation glaubhaft und beklemmend ins Wohnzimmer transportiert wird, was neben dem eindringlichen Sounddesign und der ernsten Thematik an sich in erster Linie an den Performances von Evan Dumouchel und Lilly Ewing liegt, denen man ihre gepeinigte Existenz, nur abgeschwächt durch wenige harmonische, menschliche und friedliche Momente, zu jedem Moment abkauft.
Es ist nämlich ein äußerst realistischer, wahrhaftiger und darum auch so perfider, geradezu nihilistischer Horror, den Blackshear dem Zuschauer zumutet und je nach der eigenen Persönlichkeit oder Hemmschwelle des Zuschauers für eine solche Narrative, kann der Effekt so mancher prinzipiell gar nicht so bemerkenswerter Szene schnell verdoppelt werden, ohne dass es je in exploitative „misery porn“-Gefilde abdriften würde.
WHEN I CONSUME YOU – Fazit
Düsterer, nihilistischer, dramatischer, realistischer psychologischer Horror über die angestauten Dämonen der Vergangenheit und ihre drastischen Konsequenzen.
WHEN I CONSUME YOU – Zensur
„When I Consume You“ ist keine Schlachtplatte. Der Film schlägt eher leise Töne an und ist mehr Drama als Horror. Der Film zehrt von einer hoffnungslosen Atmosphäre und belastenden Themen. Saftig-blutige Momente sind kaum vorhanden. Demnach kann man hier mit einer FSK 16 rechnen.
WHEN I CONSUME YOU – Trailer
Alexander Brunkhorst
(Rechte für Grafiken liegen bei Yellow Veil Pictures)
Eine jugendliche Ausreißerin nimmt an einer Schlafstudie teil, die zu einem alptraumhaften Abstieg in die Tiefen ihres Geistes und einer erschreckenden Untersuchung der Macht der Träume wird.
STRANGE DREAMS – Kritik
Nachdem der kanadische Regisseur und Drehbuchautor Anthony Scott Burns sich anno 2016 bereits an der meiner Meinung nach unterschätzten, überdurchschnittlich gelungenen Horrorfilmanthologie „Holidays“ beteiligen durfte, folgte 2018 sein Langfilmdebüt „Our House“, das bereits wissenschaftliche Experimente mit übernatürlichem Horror verquickt hat, zu teils polarisierter, größtenteils aber mäßiger Resonanz. Weitere zwei Jahre später folgte dann diese genreunabhängige Indieproduktion „Come True“, die in Deutschland unsinnigerweise in „Strange Dreams“ umbenannt wurde. Warum das bei diesem Film speziell ein Problem darstellt, wäre ein Spoiler zu viel, doch warum diese durchaus kreative, sehr ansprechend inszenierte Traumreise auch mich zwiegespalten zurücklässt – das werde ich nun versuchen, zu erklären.
Die Eröffnungssequenz stimmt dabei bestens auf die ruhige, behutsame, leicht retrofuturistische Erfahrung der folgenden 100 Minuten ein, da nach den Opening Credits, die auf einem alten Röhrenfernseher abgespielt werden, direkt die erste der zahlreichen, höchst atmosphärisch inszenierten Traumsequenzen folgt, in denen mit langsamer POV-Kamerabewegung durch überzeugend animierte Höhlen und Berge, neblige, enge Gänge, knarzende, schwebende Holztüren und postapokalyptisch, ja gar dämonisch wirkende Umgebungen gefahren wird. Von eben jenen, mehrfach in voller Länge ausgespielten, aber nie langweilenden Traumsequenzen geplagt wird unsere Protagonistin Sarah, eine junge Frau die bei ihren Eltern auf eigene Faust ausgezogen ist und auf einem Spielplatz aus dem Alptraum erwacht.
Doch auch wenn die zweite Traumsequenz mit ihren aus den Wänden der bedrückenden Architektur des Sanatoriums heraushängenden Leichen direkt deutlich düsterer und beängstigender anmutet als die erste, und auch wenn Traum #3 daraufhin dann gar mit einem funktionierenden, abstrakten Jump-Scare punktet und rasant folgende Horrorgefilde erahnen lässt, so ist „Strange Dreams“ in seiner gesamten ersten Hälfte gar nicht interessiert daran, zu schockieren, verstören oder auch nur auf wirkliche Spannung zu setzen. Stattdessen wird, mit unterkühlten Farben, hübscher Beleuchtung und mysteriösem Soundtrack in „The Persona“, dem ersten Kapitel, erst kurz Sarahs Situation geschildert, bevor der etwaige Ausweg aus der finanziellen Not und Schlaflosigkeit durch die bezahlte Schlafstudie etabliert wird. Nach 20 Minuten starten dann sowohl die Studie, mit ihren leicht an Sci-Fi- oder Retrofuturismus anmutenden Outfits, dem hübsch beleuchteten Kontrollraum und einer handvoll weiterer Probanden, sowie auch der Film selbst, dessen manchmal unmotiviert- einlullender, dann wieder hypnotischer, einfühlsamer Stil und Synthie-Soundtrack, nun noch mit einem atmosphärischen Voiceover über die Schlafphasen und Panflöten versehen, Hand in Hand geht mit den schwelgerischen Nahaufnahmen, nächtlichen Einstellungen der Großstadt, Ungewissheit des Experiments und beunruhigenden Träumen.
Nach dem ersten Tiefschlaf im Forschungsinstitut wird Sarah mit einer Reihe Bilder konfrontiert, auf die sie äußerst heftig reagiert – mit dabei ist ein dunkler Hüne, eine schattenhafte, große, beängstigende Gestalt, mit der jeder ihrer Träume endet – was hat es mit diesem wiederkehrenden Schrecken auf sich? Und was mit dem Nerd aus der Bibliothek, der sie zu verfolgen scheint? Nachdem die erste halbe Stunde sich fast ausschließlich auf ihre audiovisuellen Reize und Atmosphäre ausgeruht hat, gelingt es Burns kurz daraufhin tatsächlich, erstmalig so etwas wie Rätselspannung und Anflüge von einem Plot aufkommen zu lassen, der mehr als eine reine
Situation ist. Doch auch wenn auf dem Weg zur Halbzeit eine kurze, prägnante, effektiv geschnittene Terror-Sequenz mit hämmerndem Bass folgt, so ist die anschließende „Offenbarung“ für den Zuschauer leider lange keine Offenbarung mehr und langsam aber sicher stellt sich die Frage, worauf der Film eigentlich hinaus will, warum er sich so langsam und zäh inszeniert, welche versteckten Karten er wohl noch alle bei sich hält.
Doch wer nach dem verpatzten Mehrwert der letzten Szene noch nicht entnervt aufgegeben hat, der wird definitiv noch belohnt – vor der Bestrafung. Denn nachdem mir ein unstimmiges Plotdetail einfach nicht aus dem Kopf gegangen ist und ich schon potentiell eher enttäuscht war, von dieser „Maniac“ (die Netflix-Serie)-ähnlichen, nur gefühlt noch belangloseren Prämisse, taucht auf einmal der Schriftzug „The Shadow“ auf und läutet das dritte Kapitel ein. Und hier wird der Zuschauer nun zuerst effektiv verunsichert mit einem fragmentierten Gesicht und einer sich endlos durch das Treppenhaus drehenden Kamera, bis sich dann durch eine tatsächlich überraschende Beobachtung und Aussage wohliges Gruseln einstellt. Welches sich dann, finalement, in so etwas wie einer „Horror-Sequenz“, gekonnt entlädt. Der Soundtrack verlässt die Ambient-Gefilde und lässt die Synthesizer anschwillen, die Kontrolle entgleitet, in einer intensiven Szene mit großartigem Aufbau und unheimlichem pay-off zeigt „Strange Dreams“ zu was er fähig wäre, wollte er ein Genre-Film sein.
Nur um daraufhin wieder ganz eindeutig zu beweisen, dass er genau das nicht sein möchte. Denn was nun als mit wichtigste Schlüsselszene des Films inszeniert wird, ohne etwa einen Twist vorweg zu nehmen, das ist ein romantischer Subplot, der als einzige Instanz auch mit einem Song unterlegt ist, der Lyrics hat. Doch so für sich genommen gelungen die Stelle sein mag, so verwirrend und gefühlt unpassend ist sie für den Zuschauer in diesem Moment, da nicht nur zum zweiten Mal eine mehrfach bereits implizit erwähnte, für den Zuschauer offensichtliche Beobachtung ausgesprochen wird, sondern diese neue Route nun auch noch fernab von jeglichem Horror für eine überraschend lange Laufzeit verfolgt und ernst genommen wird, wo sich die Dramaturgie doch eigentlich Richtung Finale bewegen sollte. Wobei „Dramaturgie“ ohnehin ein schwieriges Wort ist, wenn wir trotz des soliden bis gelungenen Schauspiels doch stets recht unbewegt und distanziert bleiben, aufgrund des allzu am Geschehen, nicht aber an den Charakteren interessierten Scripts, das zwischenmenschliche Szenen auf ein Minimum reduziert und wenig Mitfiebermotivation, oder auch nur Einblicke in Sarahs Psyche oder Charakter erlaubt. Die mit Abstand verängstigendste, gelungenste Horror-Stelle des gesamten Films ist dabei zwar nur wenige Sekunden lang und inhaltlich relativ unmotiviert, aber so grandios inszeniert, abgemischt, designt und editiert, dass ich beim bloßen dran denken eine Gänsehaut bekomme – doch so genial wird es in der Hinsicht nie wieder, egal in welcher Hinsicht. Dass sich diese Sequenz also auch noch nach weit über einer Stunde im Film befindet, zu einem Zeitpunkt, zu dem reine Horrorfans vermutlich längst abgesprungen sind, ist da natürlich ärgerlich.
Das Finale des Films ist dann wieder höchst atmosphärisch geraten und gelungen gefilmt, mit deutlichen Stranger-Things-Anleihen und schön zurückhaltender Effektarbeit, aber dabei deutlich weniger Aufmerksamkeit oder Worte wert, als das Ende: Denn gaaaaaanz am Ende dieser 100 Minuten wird der Film dann tatsächlich nochmal deutlich interessanter, aber auch enttäuschender, irgendwo gewitzter aber eben auch witzloser und unnötig verwirrend, da hier natürlich noch ein großer Twist folgen muss. Und der ergibt rein inhaltlich auch Sinn und der wird auch ein Stück weit vorher angedeutet und erklärt ein paar Fragezeichen oder Fehler der vorherigen Szenen, ja, gleichzeitig aber stellt er auch den gesamten Film, die Existenzberechtigung der gesamten Story und die Motivation des Regisseurs, diesen Film überhaupt zu machen, komplett in Frage. Wer den ebenfalls höchst kuriosen „Boarding School“ gesehen hat, der weiß, wie man radikal unterschiedliche Ideen oder Konzepte mit einem einmaligen Ende umdeuten oder im letzten Moment noch etablieren kann, etwas ähnliches wurde hier auch gemacht.
STRANGE DREAMS – Fazit
Ungewöhnlicher, eigenständiger, hübsch fotografierter, langsamer Indiefilm, der das Interesse des Zuschauers zumeist aufrecht erhalten kann, hinter der hübschen Verpackung und dem feinfühligen Soundtrack aber leider nur zwei wirklich intensive, spannende Szenen aufzuweisen hat und abseits seiner Genre-Inserts relativ zahm, minimalistisch und unspektakulär inszeniert wurde. Stimmungsvoll, interessant, mit schimmernd-leichten, idyllischen, bis hin zu mysteriös-nächtlichen Synthesizern und Assoziationen sowie natürlichen Performances, aber auch einem schleppenden Erzähltempo und verschenkten Möglichkeiten.
STRANGE DREAMS – Zensur
Die deutsche Fassung von „Strange Dreams“ (Originaltitel: „Come True“) ist ungeschnitten und frei ab 16 Jahren.
Ein Neurologe besucht einen inhaftierten Serienmörder, um sein Gehirn zu untersuchen und entdeckt den Schrecken, der hinter seinen gewalttätigen Impulsen lauert.
15 KILLINGS – Kritik
Dennis Nilsen, geboren 1945, verstorben 2018, war ein schottischer, nekrophiler, homosexueller Serienkiller, dessen zahlreichen Morde an jungen Männern viel zu spät und umständlich entdeckt wurden, obwohl alle typischen Zeichen des introvertierten Mannes, der laut Film natürlich schon als Kind eine Katze erwürgt hat, seit Jahren abzulesen waren. Um sich Details zu diesem tatsächlich sehr spannenden, tragischen und furchterregenden Fall anzueignen, kann man wahlweise die (englische) Wikipediaseite lesen, oder aber knapp 100 Minuten lang diesen Film von Yianni John Dracos angucken, der nach einer Komödie Anfang der 2000er hier nun seinen ersten ernsteren Langfilm präsentiert – ich empfehle eindeutig Ersteres. Denn bei Gott, was für eine sterbenslangweilige, frustrierende und repetitive Erfahrung das Erdulden dieses Totalausfalls doch war; und das auch noch bei einer wenn auch nicht einmaligen, so doch eindeutig zur Adaption einladenden Vorlage. Aber wie so oft bei niedrig budgetierten Genrefilmen fragt man sich leider schnell, für wen diese Produktion überhaupt gemacht wurde.
Nilsen hat seine Opfer ausschließlich stranguliert oder ertränkt, was sämtliche Gorebauern und Splatterfans, die selbst True Crime Werke in einem Akt ultimativen Zynismus für die saftigen Schauwerte gucken, zu Recht abschrecken dürfte. Hab ich zum Glück auch nie erwartet, aber auch was Würgeszenen selber angeht sollte man keinen nahegehenden Realismus á la „No Country for Old Men“ oder „Der Goldene Handschuh“ erwarten. Als realistisches, korrekt recherchiertes Charakterporträt, psychologischer Thriller internaler Traumaverarbeitung oder Biographie Nilsens von der Geburt bis zu seinem Tod taugt der Film dann auch nicht, da hier nur blitzlichtartig und unzusammenhängend in die Vergangenheit geblendet wird, während im Hier und Jetzt nur seine Morde, und somit letzten freien Jahre festgehalten wurden.
Und wer nun also weder auf die Akkuratesse der genauen Fakten, noch auf verstörenden Gewaltszenen aus ist und, wie ich, sich auch einfach mit einem guten, unterhaltsamen Genrefilm zufrieden geben will, der hat erst so richtig verloren. Das komplett irreführende Cover mit den zahlreichen Hieb- und Stichwaffen, die im gesamten Film sowie in der Realität des Falles allenfalls als kurz gezeigte Leichenzerkleinerer zum Zuge kommen, nie aber als Mordwaffe, also komplett ignoriert, startet der Film zu unruhigen Streichern, Schwarzblenden und natürlich Hauptdarsteller Steve Bongeorno als schmierigen Protagonisten Norris, wie er in einer Bar einen blonden Jüngling beäugt. Die Musik klingt dabei tatsächlich so, als käme sie aus den Boxen der Bar, das ist aber leider auch schon das Highlight dieser Szene, die mit ihrem billigen Look, überbeleuchtetem Bild und schlimm abgemischten Atmos direkt negativ auffällt. Natürlich kommt der junge Mann mit zu Norris, eine Liebelei wird nicht gezeigt, am nächsten Morgen aber erdrosselt Norris wie erwartet sein Opfer und die Kamera dreht sich kopfüber, als wären wir in einem Noé – unerwartet und relativ effektiv, Titlecard setzt ein, Hoffnung ist da.
Ein uninspiriertes, wenn auch professioneller aussehendes Set dient als Verhörraum, Genre- & Percy Jackson-Star Maria Olsen muss sich nun in endlos belanglosem Schulvortragsstil durch ziemlich grottigen und sinnlosen Mono/Dialog quälen, in dem sie Norris den Aufbau des gesamtem Gehirns erklärt. Warum? Weil sie durch das Interview mit ihm erzielen möchte, ihn für weitere Tests zu gewinnen, die klären, wie die Gehirne von Psychopathen beeinflusst oder aufgebaut sind. Wird das je wieder aufgegriffen, ist das wichtig für den sonstigen Film, je interessant, clever, witzig, pointiert oder allgemein relevant? Nein, absolut nicht. Maria Olsen war vermutlich für einen Tag da, hat keinen Fick gegeben, warum auch, einmal diesem Try-Hard Laiendarsteller die ausgedruckten Wikipedia Hirndefinitionen vorgelesen und ist dann wieder gefahren, der Rest ist der eigentliche Film. Schlimm, sowas. Doch auch diese gefühlt 20 Minuten unnützer Ballast würden noch keine derart niedrige Wertung rechtfertigen, würde der Rest passen. Und der Rest, das ist natürlich die verfilmte Version der Nacherzählungen seiner Morde, verschnitten mit ein paar immerhin Abwechslung bringenden Flashbacks, nur sind diese leider genau so trocken und uninteressant, wie sie sich lesen. Ob es wirklich eine komödiantisch überspitzte Nachbarin gab, die quasi jeden der Todeskämpfe und Morde in Nilsens Wohnung gehört hat, aber nie auf die Idee kam, die Polizei zu rufen, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen – abseits davon aber ist die beste Erklärung für die unendliche Ödnis, die dieser Film bietet, die ich finden konnte, die, dass bewusst gezeigt werden soll wie unendlich langweilig, repetitiv, teilweise absurd und unpointiert das Leben eines Serienkillers wie Norris ist, da wirklich wirklich nichts passiert.
Doch auch das kann man jetzt falsch verstehen, also lasst mich erklären: Ich liebe eigentlich Filme, in denen „nichts passiert“, in denen minutenlange Stativaufnahmen vorherrschen oder die Umgebung liebevoll eingefangen wird, in denen man mit einer üblichen Inhaltsangabe kaum voran kommt. Doch Dracos versucht sich hier nicht an einem ambitionierten Arthousefilm mit philosophischem Gehalt oder zumindest überzeugender audiovisueller Inszenierung, nein, trotz einer handvoll gelungener Bilder und Posen ist es größtenteils eine fast schon dokumentarische, unkommentierte Inszenierung, in der hier Mord nach Mord, Mann nach Mann abgehandelt wird. Durch die Unbeholfenheit und optische Ähnlichkeit erinnert der Film dabei immer wieder an eine völlig nach hinten losgegangene Parodie von „The House That Jack Built“, der im Gegensatz zu diesem Werk aber entschieden bewusst komisch ist. „Wieso hat dieser introvertierte, auf den ersten Blick merkwürdige Nilsentyp denn je problemlos so viele junge Männer bekommen?“, fragt sich der geneigte Leser auch – völlig zu Recht, womit wir bei der nächsten Schauspiel- und somit auch Logikschwäche des Films wären: Der echte Nilsen war scheinbar ein verdammt charismatischer Typ, ein Charmeur, der genau wusste wie er Leute manipulieren musste. Das arme, verbitterte Würstchen als das er hier hingegen dargestellt wird, würde mit seiner Art kaum so lange so erfolgreich die Fassade aufrecht erhalten können, wie es in der Realität der Fall war. Das „gruseliger weirdo“-Schauspiel könnte dabei sogar klappen, wäre der Rest seiner Umgebung realistisch eingefangen und würde das restliche Schauspiel funktionieren – hier aber sticht Norris nicht hervor, sondern reiht sich in die unüberzeugenden, den Zuschauer ausschließenden Performances.
Ein paar blitzlichtartige Eindrücke der Kunst, Minuten zu Stunden zu machen: Norris will seine Geschichten nicht erzählen, lässt sich aber durch Schokolade bestechen. Flashback, Norris spielt als Teenie etwas zu brutal mit seinem Hund. Flashback, Trinkszene, jeder wartet auf den anderen Schauspieler bevor er mit seiner Zeile startet, Musik fehlt auch. Flashback, Norris wird von zahlreichen Kolleginnen auf seiner Arbeit angesprochen, weicht aber stets aus. Flashback, Norris nimmt einen jungen Mann mit nach Hause, der überzeugender spielt als Bongeorno es tut, erwürgt ihn, lässt für beide ein Bad ein. Eine Vinylsammlung, die nur für eine Szene zu sehen ist und sonst wie, weist „Black Sabbath“ auf, dann läuft aber klassische Musik(?). Alles davon ist maximal durchschnittlich gespielt, nichts davon geschickt editiert oder aufregend inszeniert, nichts davon erzählt etwas Neues. Wenn mehr und mehr Leichen versteckt oder zerhackt und die Toilette runtergespült werden müssen, freut man sich nicht aufgrund der Spannung darüber, sondern weil der Film hoffentlich bald endet. 1989 hat die 21-jährige Fhiona Louise den Fall verfilmt und immerhin auf diesen Streifen, der auch noch von Arrow auf Blu-ray erschienen ist, freu ich mich nach der spannenden Wikipediaseite definitiv. Hat man sich durch die 90 Minuten gequält, endet es dann doch tatsächlich mit der Einschläferung seines Hundes (???), quälend kitschiger, bemüht epischer Musik und einer peinlichen Texteinblendung. Fuck me, die Tiefen des Kritikertums.
15 KILLINGS – Fazit
Ein hölzern gespielter, furchtbar geschriebener, lieblos adaptierter, todlangweiliger Serienkillerfilm ohne akribische Authentizität, tiefschichtige Charaktere, eine überzeugende Inszenierung, Spannung oder greifende Genreelemente. Ein Film ohne Handlungsfortschritt oder Charakterbögen, ohne Rätsel- oder Verlaufsspannung oder Daseinsberechtigung. Ein Film, den ich niemandem empfehlen kann.
15 KILLINGS – Zensur
Die deutsche Fassung von „15 Killings – Interview mit einem Serienkiller“ ist ungeschnitten und für Zuschauer ab 18 Jahren geeignet.
15 KILLINGS – Deutsche Blu-ray
(c) tonpool Medien GmbH / UCM One (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: 15 Killings; USA 2020
Genre: Thriller
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: keine
Bild: 2.35:1 (1080p) | @23,976 Hz
Laufzeit: ca. 97 Minuten
FSK: Keine Jugendfreigabe (ungeschnittene Fassung)
Verpackung: Blu-ray im KeepCase mit Wechselcover
Extras: Original Trailer, Deutscher Trailer, Trailershow
„Blood On My Name“ erzählt die Geschichte eines unbeabsichtigten Mordes und der Konsequenzen, wenn man zu dieser Tat auch noch stehen will.
BLOOD ON MY NAME – Kritik
Es ist ein beliebtes Stilmittel, dass der Zuschauer in ein Szenario geworfen wird, welches er am Anfang nicht greifen kann und in dem er sich überhaupt nicht sicher sein kann, was hier gespielt wird. Bei einem guten Aufbau kann das für ungemeine Spannung sorgen. Wie man es eher nicht macht, zeigt der kleine Krimi „Blood on my Name“.
Auch hier wirft man den Zuschauer in eine Prämisse, die sich schon ereignet hat. Leigh hat nämlich einen Mann getötet und nun ergibt sich das Problem, was sie mit der Leiche tun soll. Warum, weshalb und wieso Leigh das überhaupt getan hat, muss sich der geduldige Zuschauer erst selbst erabeiten. Jedenfalls kommen der Frau dann doch gewisse Zweifel und sie möchte die Familie des Leichnams kontaktieren, damit diese weiß, was los ist. Das erweist sich dann allerdings als schwerer Fehler, für den Leigh teuer bezahlen muss. Das Drehbuch funktioniert hinten und vorne nicht. Wenn man den Zuschauer anfangs schon im Dunkeln tappen lässt, was hier vorgefallen sein könnte, dann sollte man nebenbei auch eine gewisse Art der Spannung aufbauen. „Blood On My Name“ gelingt dies niemals. Von vornherein wirkt diese Geschichte uninteressant und man kann hier einfach keinerlei Spannungsbogen entstehen lassen. Es gibt zwar einige Wendungen und Twists, doch diese sind reichlich konstruiert und wirken absolut nicht interessant. So zieht sich der gesamte Verlauf wie Kaugummi dahin und die Erzwählweise steckt so voller Schwächen, dass es einfach schade ist.
Schade ist es deshalb, weil „Blood On My Name“ aus rein handwerklicher Sicht durchaus zu gebrauchen ist. In diesem Absatz fallen dann auch die einzigen, positiven Aspekte. Optisch ist das Werk gelungen und selbst wenn die Schauplätze nicht gerade nach dem größten Budget schreien, kann man sie sich gut anschauen. Die Inszenierung ist nicht verkehrt. Regisseur Matthew Pope, der zuvor nur in Serien oder Kurzfilmen in Erscheinung trat, versteht sein Handwerk einigermaßen. Die Darsteller sind soweit brauchbar. Das sind zwar alles Leistungen, die nicht in Erinnerung bleiben werden, aber schlecht gespielt ist das absolut nicht.
Profitieren kann „Blood On My Name“ davon allerdings niemals, weil er sich nahezu alle Punkte mit seiner lahmen Geschichte selbst zerstört. Die passable Inszenierung bringt nämlich nichts, wenn die Story es nicht vorsieht, mal ein paar Highlights zu setzen. Die brauchbaren Darsteller bringen nichts, wenn die Figurenzeichnung niemals zündet. Hier liegt ein weiteres, großes Problem: Atmosphäre. Im Endeffekt stellt die Stimmung eine Mischung aus Thriller und Drama dar, aber kein Punkt davon wird gut bedient. Der Thriller wird im Keim erstickt, weil niemals Spannung aufkommt und für das Drama ist die Figurenzeichnung zu beliebig. Der Zuschauer erhält keinerlei Draht zu den Charakteren und somit sind sie einem auch schlichtweg egal. Man hat sich hier keine Mühe gegeben, den künstlichen Figuren etwas Leben einzuhauchen und so verkommt alles zur reinen Belanglosigkeit.
Die Erzwählweise sorgt indessen für einen ermüdenden Unterhaltunsgwert. Bereits der Einstieg ist schlecht, weil er keinerlei Interesse für die Geschehnisse weckt. Hat man anfangs noch die Hoffnung, dass sich das Szenario dann langsam aufbaut, wird man spätestens ab der zweiten Hälfte ernüchternd feststellen, dass da nicht mehr viel kommt. Da herrscht keine Action, keine Spannung, es kommen keine Emotionen auf und das Ganze ist dermaßen trocken, dass man selbst im Platzregen nicht drohen würde nass zu werden. Obwohl „Blood On My Name“ nur 83 Minuten lang ist, zieht er sich wie Kaugummi. Wenn dann im kurzen Finale doch noch etwas Blut vergossen wird, ändert das auch nichts an der gähnenden Langeweile. Zusätzlich fällt der Score sehr beliebig und eintönig aus.
BLOOD ON MY NAME – Fazit
Es gibt Filme, die machen einfach keinen Spaß, aber dann kann man wenigstens eine hübsche Kritik dazu schreiben. Bei „Blood On My Name“ machte weder die Sichtung, noch das Rezensieren Freude, weil man eigentlich gar nicht viel zu diesem Werk schreiben kann. Das einzige, was hier vor einer (subjektiven) Totalkatastrophe schützt, ist die handwerklich passable Arbeit und den Darstellern kann man nun auch keinen Vorwurf machen. Die größte Schwäche ist das mehr als lahme Drehbuch, welches kaum etwas zu erzählen hat und versucht, dies mit einer ungewissen Herangehensweise zu kaschieren. Spannung kommt dadurch jedoch niemals auf und auch das Drama ist mehr als lahm. Wie immer gilt, dass dies Geschmackssache ist und vielleicht springen andere Zuschauer eher auf diese Erzählweise an, aber eine Empfehlung ist an dieser Stelle nicht möglich, weil es „Blood On My Name“ an Atmosphäre und an Daseinsberechtigung mangelt!
BLOOD ON MY NAME – Zensur
Die deutsche Fassung von „Blood On My Name“ ist ungeschnitten und für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet.
BLOOD ON MY NAME – Deutsche Blu-ray
(c) Koch Films (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Blood on Her Name; USA 2019
Genre: Thriller, Drama, Krimis
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 5.1
Für Jessica endet die Flucht vor ihrem früheren Leben in der Flucht vor einem Psychopathen, der nach ihrem Leben trachtet.
ALONE – Kritik
Ein Survial-Thriller hat meist eine simple Prämisse, in welcher sich Protagonisten durch die Wildnis schlagen müssen. Kombiniert man dies mit einem normalen Thriller, ergeben sich reizvolle Faktoren, die man in ihrer Schlichtheit wunderbar darstellen kann. „Alone – Du kannst nicht entkommen“, der schon vom Titel simpel ist, spielt genau mit diesem Szenario. Obwohl er sehr hochwertig gemacht wurde, hätte man aus der einfachen Geschichte jedoch mehr herausholen können.
Die Story beginnt ohne etwas zu erklären. Der Zuschauer sieht Jessica, die ihr Hab und Gut in einen Anhänger verfrachtet und losfährt. Ihr Ziel kennt man nicht, ihre Beweggründe ebenfalls nicht. Erst hinterher erfährt man, dass ihr Mann vor einiger Zeit gestorben ist und Jessica mit ihrer Vergangenheit abschließen will. Doch schon bald rennt sie nicht nur vor dieser fort, denn ein psychopathischer Killer hat die Witterung von Jessica aufgenommen und alles endet in einem Überlebenskampf in der Wildnis. So reizvoll das auch klingen mag: Das Drehbuch ist die größte Schwäche von „Alone“. Dass der Film völlig schlicht und schnörkellos daherkommt, ist nicht verkehrt und aus der simplen Prämisse hätte man viel Nervenkitzel hervorzaubern können. Was allerdings störend ist, sind ein paar Logikfehler bzw. Ungereimtheiten. So soll Jessica zu einem Beamten durchgestellt werden, als sie mit der Polizei telefoniert, doch ob das stattgefunden hat, verschweigt der Film. Außerdem ist es ein mächtiges Klischee, dass eine simple, verschlossene Holztür ein großes Hindernis zur Freiheit darstellt. Und wenn der Killer, der das scheinbar schon öfter getan hat, eine Leiche nur ein paar Zentimeter tief vergräbt, zeugt das nicht gerade von seinem Talent. Wieso ist die Erde völlig trocken, obwohl es doch in der vorherigen Nacht noch eimerweise geschüttet hat? Dies mögen Kleinigkeiten sein, die in einem Film, in welchem viel los ist, zur minimalen Randnotiz verkommen, aber gerade weil das Drehbuch hier dermaßen schlicht gehalten wurde, fallen solche Dinge schon deutlich mehr auf.
Leider kann „Alone“ schon alleine deshalb nicht mehr in der oberen Liga mitspielen, was sehr schade ist, denn vom Handwerk her wurde er wirklich fein gemacht. So sehen bereits am Anfang die Panorama-Aufnahmen der Natur wunderschön aus und die Kamera fängt jede Szenen herrlich ruhig und stilsicher ein. Regisseur John Hyams, der nun im B-Movie-Sektor kein unbeschriebenes Blatt mehr ist, inszeniert das Szenario ansprechend und die Optik ist echt gelungen. Über die Atmosphäre kann man sich ebenfalls nicht beklagen, denn es geht schön düster zur Sache. Der wahnsinnig ruhige Anfang langweilt nicht und nach einer knappen halben Stunde beginnt der Überlebenskampf. Hier hätte man die Wildnis jedoch gerne mehr mit einbauen dürfen. Dass die Natur für Jessica ebenfalls zum Feind wird, ist nämlich nicht wahr. Klar, es muss hart sein, sich dadurch zu kämpfen, doch diesen Aspekt betrachtet „Alone“ eher weniger. Stattdessen spult man ein paar Klischees ab, wie etwa den Jäger, der angetroffen wird und vielleicht zur rettenden Hilfe werden könnte. Richtige Spannung will dabei kaum entstehen, bis es dann zum packenden Finale kommt, in dem es noch eskalieren darf. Hier kommt endlich mal Nervenkitzel auf und dann darf auch noch etwas Blut vergossen werden, wobei der Fokus niemals auf Gewalt liegt.
Den Darstellern kann man keinen Vorwurf machen. Jules Willcox spielt die ängstliche, traumatisierte Frau, die dann doch um ihr Überleben kämpft, relativ authentisch und wirkt souverän in ihrer Darbietung. Marc Menchaca ist als Psychpath ebenfalls nicht verkehrt. Er besitzt ein typisches Hinterwäldler-Auftreten, bekommt aber genügend Facetten, um nicht als Karikatur durchzugehen. Die Figurenzeichnung gibt sich dabei so schlicht, wie „Alone“ allgemein ist. So erfährt man über Jessica anfangs gar nichts und hinterher nur das Nötigste. Auch der Killer bekommt keine weitere Tiefe spendiert, wird aber immerhin als sadistisch veranlangt hingestellt. Sicherlich wäre in diesem Punkt noch etwas mehr möglich gewesen, aber störend ist diese einfache Figurenzeichnung nicht, da sie ihren Zweck erfüllt.
ALONE – Fazit
Was anfängt wie „Joyride – Spritztour“ endet in einer Art „A Lonely Place to Die„. „Alone – Du kannst nicht entkommen“ will niemals mehr sein, als er darstellt und kommt erfrischend schörkellos daher, aber genau dies wird ihm manchmal auch zum Verhängnis. Weil der Film sehr ruhig ist, nicht viele Dialoge besitzt und auch mal minutenlang im Stillstand verharrt, fallen ein paar Ungereimtheiten im Drehbuch dann doch sehr stark auf. An einer gewissen Qualität verändert das zwar nichts, denn die Inszenierung ist gelungen und die Bilder, welche die Kamera einfängt, sind hervorragend, aber ein Highlight kann der Film somit auch nicht darstellen. Die Mischung aus Survival-Aspekten und Thriller ist unausgewogen und es macht den Eindruck, als hätte man hier einfach noch mehr herausholen können. Gute Darsteller, eine passable Figurenzeichnung und ein spannendes Finale machen „Alone“ auf jeden Fall sehenswert, aber mehr Nervenkitzel wäre nicht verkehrt gewesen. Ein guter Film, der jedoch mehr Möglichkeiten gehabt hätte! Übrigens handelt es bei sich bei „Alone – Du kannst nicht entkommen“ um die amerikanische Neuverfilmung des schwedischen Thrillers „Night Hunt – Die Zeit des Jägers“ von 2011. Ob die Neuinterpretation gelungen ist, sollte an dieser Stelle jeder für sich selbst bewerten. Wir meinen: Leider nur bedingt! Manche Filme benötigen nicht zwangsläufig eine Neuverfilmung.
ALONE – Zensur
Die deutsche Fassung von „Alone – Du kannst nicht entkommen“ ist ungeschnitten und für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet.
ALONE – Deutsche Blu-ray
(c) Koch Films (Blu-ray im KeepCase)
(c) Koch Films (2 Blu-rays im Mediabook)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Alone; USA 2020
Genre: Horror, Thriller
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 2.40:1 (1080p) | @23,976 Hz
Laufzeit: ca. 98 Minuten
FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)
Verpackung: Blu-ray im KeepCase mit Wechselcover | Mediabook
Extras: Featurette, Behind the Scenes, Bildergalerie, Trailer | zusätzlich im Mediabook: Blu-ray mit Bonusfilm „Night Hunt – Die Zeit des Jägers“, Booklet
Eine Gruppe junger Wanderer kommt am Appalachen-Trail vom rechten Weg ab und zahlt dafür mit dem Tod.
WRONG TURN – Kritik
Jedes Horrorfilm-Franchise hat seine Antihelden. NIGHTMARE ON ELM STREET hat Kultkiller Freddy, FREITAG DER 13. lässt Hockeymasken-Mörder Jason auf Teenager los und TEXAS CHAINSAW MASSACRE wäre ohne den kettensägenschwingenden Leatherface nur halb so beliebt. Was aber, wenn man aus diesen Filmreihen das streicht, was sie berüchtigt gemacht hat. Genau dieses Experiment ist man bereits in den 1980ern mit HALLOWEEN III und der Serie FREDDY’S NIGHTMARES eingegangen. Dort entfernte man die Horrorikonen Michael Myers und Freddy Krueger. Das Ergebnis war wenig überraschend. Erwähnte Produktionen kamen beim Publikum gar nicht gut an. Berechtigte Kritik, die nun offenbar auch CONSTANTIN FILM mit seiner Endlos-Reihe WRONG TURN riskieren möchte. Im Jahr 2018 wurde nämlich bekannt, dass man dem Franchise neues Leben mit einem Reboot einverleiben wollte. Ein nur allzu berechtigtes Vorhaben machten sich die letzten Ableger der WRONG TURN-Reihe weniger durch Ideen und Qualität einen Namen als vielmehr mit Gewalt, schlechten Effekten und Zensurproblemen.
Ein Neustart war demzufolge unausweichlich. Nun steht dieser an, kommt ins Kino und spult vertraute Abläufe ab. Alles beginnt mit einem aufgewühlten Vater (MATTHEW MODINE aus 47 METERS DOWN). Der macht sich auf die Suche nach Tochter Jen (CHARLOTTE VEGA), die sich seit Wochen nicht meldet. Die Sorgen sind groß, kann die New Yorkerin nicht mehr erreicht werden. Das Telefon ist aus und auch sonst herrscht Funkstille. Ob da etwas passiert ist? Ganz abwegig ist der Gedanke nicht. Die junge Frau hatte sich nämlich mit einigen Freunden auf den Weg zum Appalachian Trail gemacht. Dort wollte man etwas Wandern und die Natur erkunden. Eine spannende Reise, die aber bald in Horror umschlägt – wie Rückblenden erklären. Trotz Warnungen von Einheimischen hält man sich nicht an Wegmarkierungen. Die Strafe folgt auf dem Fuß. Man stapft in sonderbare Fallen und bekommt es mit der Angst zu tun. Als man wieder klare Gedanken fassen kann, befindet man sich in den Fängen einer ominösen Gemeinschaft. Die ist nicht gut auf neugierige Wanderer zu sprechen, welche fernab der üblichen Waldwege herumschnüffeln.
Alles auf null und doch ganz anders. Der WRONG TURN-Neuanfang ist eine Sache, die bei eingefleischten Fans der Filmreihe so gar nicht auf Begeisterung stoßen wird. Das Problem: die Erwartungshaltung. Was in diesem Reboot fehlt, sind nämlich die deformierten Hinterwäldler, welche in der Original-Serie für Angst und Schrecken gesorgt haben. Diese wurden entfernt und durch eine mysteriöse Gemeinschaft von Bergbewohnern ersetzt, die seit Mitte des 19. Jahrhundert im Osten der Vereinigten Staaten autark leben und alles daran tun, damit man deren verborgenes Dorf nicht findet. Klingt natürlich weitaus langweiliger, als entstellte Kannibalen, die niederen Instinkten frönen. Aber wir geben Entwarnung. Das Quasi-Remake von WRONG TURN ist ganz ordentlich, orientiert sich in der Machart an den Sekten-Thriller MIDSOMMAR und lässt sogar Fans des blutigen Handwerks nicht unbefriedigt zurück. Subtile Gesellschaftskritik gibt es übrigens gratis dazu.
Mehr Thrill statt Horror lautet die Devise. WRONG TURN von 2021 ist in erster Linie ein Survival-Thriller und will mit Backwood-Horror so gar nichts mehr zu tun haben. Eine weise Entscheidung von Drehbuchautor ALAN B. MCELROY, auf dessen Kappe bereits das Drehbuch zum Original von 2003 geht. Der hat hier eine weitaus erwachsenere Geschichte zu Papier gebracht, die von MIKE P. NELSON inszeniert wurde. Letzterer hat offenbar Blut im Horror-Genre geleckt. Zuletzt führte er Regie beim Endzeit-Horror THE DOMESTICS und bewies eindrucksvoll, dass er sich gut mit Spannung und Überlebenskämpfen auskennt. Gute Voraussetzungen, um WRONG TURN zu alten Qualitäten zurückzuführen. Was da nämlich in den letzten Teilen zugemutet wurde, war keine Sternstunde des Horrorkinos.
So teilt sich das Reboot in zwei Handlungsstränge auf und hetzt seine Helden sprichwörtlich in ein ungewisses Abenteuer. Während der eine vom sorgenden Vater Scott erzählt, der sich auf die Suche nach der verschollenen Tochter begibt, berichtet die andere von jungen Leuten, die durch eine Reihe von Umständen in den eigenen Tod schlittern. Das mag zwar alles etwas konstruiert anmuten, wird aber von Regisseur MIKE P. NELSON derart rasant zum Ende geführt, dass kaum Zeit zum Verschnaufen bleibt. Erst im Finale kreuzen sich beide Handlungsstränge und laufen ineinander. Adrenalin-Horror hat nie besser funktioniert.
WRONG TURN – Fazit
Weg vom Splatter-Nonsens hin zum Spannungskino. Das Remake, Reboot oder wie man auch immer die Neuauflage bezeichnen möchte, hat mit der vertrauten Reihe kaum noch etwas gemein. Die beliebten Bösewichte hat man aus dem Drehbuch radiert und der Gewaltpegel wurde nach unten geschraubt. Ein gewagtes Unterfangen, das dennoch sehenswert ist. WRONG TURN von 2021 hat eine toughe Heldin, hervorragende Darsteller und eine ordentliche Portion Spannung. Hinzukommt, dass er technisch endlich mal wieder Kinoqualität erreicht und auch noch gut getrickste Spezialeffekte in petto hat. Da sieht man gern über die Tatsache hinweg, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn man den Schocker unter anderem Titel vermarktet hätte. So muss sich der Film missgünstigen Vergleichen eingefleischter Fans der Originalreihe stellen, die jetzt schon – gelinde gesagt – unfair sind. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass sich jeder Zuschauer am Ende die Frage stellen wird, wie man diesen WRONG TURN fortsetzen könnte. Viele Optionen werden nicht gegeben. Wir meinen aber, dass man vermutlich Wege finden wird, um einen Spagat zu den Bösewichten der Originalserie zu ziehen. Dazu ist das Fan-Echo einfach zu wichtig für CONSTANTIN FILM – schließlich will das Filmunternehmen in Zukunft weiter diese lukrative Kuh melken.
WRONG TURN – Zensur
Das Remake / Reboot von WRONG TURN hat in Deutschland eine Freigabe ab 18 Jahren erhalten. Diese Filmfassung ist ungeschnitten. Es werden zermatschte Köpfe gezeigt, eine Figur fällt in eine Falle mit Holzpfählen und Augen werden auch noch mit einem heißen Eisen ausgebrannt. Weiterhin gibt es Messereinstiche und Pfeilwunden zu sehen. Demzufolge ist die hohe Freigabe gerechtfertig. Wer aber ein Splatterfeuerwerk und sadistische Morde erwartet, wird enttäuscht werden.
WRONG TURN – Deutsche Blu-ray
(c) Constantin Film (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Wrong Turn – The Foundation; USA 2021
Ein Aussteiger aus der jüdischen Gemeinde nimmt das Angebot an, eine Totenwache zu absolvieren und muss sich dabei einem jüdischen Dämon stellen.
THE VIGIL – Kritik
Ein Horrorfilm, der sich um Dämonen dreht und an einem orthodoxen Schauplatz spielt, klingt nicht gerade besonders originell. Das ist „The Vigil“ auch absolut nicht. Trotzdem holt er aus dem Setting eine ganze Menge heraus und eignet sich für Zuschauer, die auf den eher kleinen Grusel stehen, auf jeden Fall gut.
Yavoc will aus seiner ultraorthodoxen-jüdischen Gemeinde heraus und nimmt dafür an einer Selbsthilfegruppe teil. Erst vor kurzem verlor Yavoc seinen jüngeren Bruder und das Trauma sitzt tief. Außerdem findet er sich in der „normalen“ Welt nur schwer zurecht. Weil das Geld bei ihm knapp ist, nimmt er trotzdem das Angebot an, eine Totenwache abzuhalten. Ein altes Mitglied der Gemeinde ist verstorben und Yavoc soll die Nacht mit Gebeten verbringen, um die Seele des Verstorbenen zu trösten. Allerdings bekommt er es dabei mit einem alten, jüdischen Dämon zu tun, der nun auch Yavoc plagen möchte. Die Geschichte erfindet das Rad des Dämonenhorrors nun wirklich nicht neu und bedient eigentlich nur bekannte Zutaten. Der Unterschied ist nur, dass man es mit jüdischen Dämonen in diesem Bereich nicht jeden Tag zu tun bekommt. So erfährt man auch noch etwas mehr über den orthodoxen Glauben. Das Drehbuch ist schön zurückhaltend geschrieben, verurteilt nicht und heißt nichts gut, weshalb man sich darauf auch gut einlassen kann. Größere Überraschungen sollte man nicht erwarten, dafür bekommt man aber hübsch altmodisch gestalteten Spuk geboten.
Allerdings sollte man es ruhiger mögen, denn „The Vigil“ besitzt seine Langsamkeit. Obwohl die Prämisse schnell eingeleitet wurde, dauert es eine halbe Stunde, bis der Grusel langsam los legt. Auch danach ist nie zu viel los und die Ereignisse überschlagen sich nicht. Selbst wenn die langsame Machart für ein paar Längen sorgt, so entsteht doch eine gelungene Atmosphäre, die für wohligen Schauer sorgt. Leider konnte Regisseur-Neuling Keith Thomas nicht auf ein paar obligatorische Jump-Scares verzichten, die ihre Schockwirkung am ehesten aufgrund des lauten Sounds erreichen, aber er hält sich damit doch angenehm zurück und ein paar Schockeffekte verfehlen ihr Ziel sicher nicht. Den größten Gruselfaktor besitzt der Film dabei nicht, aber man kann trotzdem genug mitfiebern. Die handwerkliche Arbeit wirkt gekonnt und die langsamen Kamerafahrten machen etwas her. Auch der minimalistische Schauplatz wurde solide genutzt und wirkt nicht zu beengt. Mit kleineren Spielereien, wie etwa das Einblenden des Textes vom Handy, wird für genügend Abwechslung gesorgt und die Inszenierung macht allgemein nicht viel verkehrt.
Es gibt in „The Vigil“ nur einen Hauptdarsteller und da ist es natürlich wichtig, dass dieser auch abliefern kann. Dave Davis bekommt das gut hin und spielt seine Rolle glaubwürdig. Die Figurenzeichnung von Yavoc ist dabei nicht besonders kreativ, funktioniert allerdings und ausreichend Sympathien werden gesichert. Die restliche Besetzung ist sehr marginal, doch auch hier spielt niemand schlecht. Allgemein ist der gesamte Film reichlich simpel gestaltet. Oftmals wird minutenlang gar nicht gesprochen und die Bilder sprechen für sich. Dank einer normalen Laufzeit von nur 90 Minuten, ist das niemals zu langweilig und der Spannungsaufbau ist gelungen. Trotzdem führen ein paar Szenen auch etwas zu sehr ins Leere, so dass man von keiner besonders aufregenden Unterhaltung sprechen kann. Wirklich gut gelungen ist allerdings noch der elektronische Score, der manche Szenen dominiert und sich sehr gut anhören lässt. Viele Effekte gibt es übrigens nicht, doch diese braucht es hier auch überhaupt nicht, da sich der Film überwiegend dem altmodischen Grusel hingibt.
THE VIGIL – Fazit
„The Vigil“ ist ein minimalistischer Horrorfilm mit wenig Darstellern, begrenztem Schauplatz und einer sehr langsamen Herangehensweise. Manchmal ist das etwas zu langsam und strapaziert die Geduld, aber man kann daraus immerhin eine ansprechende Atmosphäre kreieren. Super unheimlich ist das Ganze nicht, aber der Schauer verfehlt seine Wirkung nicht und ein paar Schockeffekte wissen ebenfalls zu überzeugen. Zusätzlich wird der Film gut gespielt und besitzt einen sehr effektiven Score. Die handwerkliche Arbeit kann sich sehen lassen und ein paar Bilder besitzen definitiv ihre Eigenständigkeit. Somit bietet „The Vigil“ nicht den großen Wurf im Spuk-Genre, bedient dieses aber völlig souverän und verdient von Fans solcher Filme definitiv eine Sichtung!
THE VIGIL – Zensur
Die deutsche Fassung von „The Vigil – Die Totenwache“ ist ungeschnitten und frei ab 16 Jahren. Der Gruselfilm ist eher subtiler Natur. Großartige Gewaltmomente sind nicht zu erwarten.
THE VIGIL – Deutsche Blu-ray
(c) Eurovideo Medien (KeepCase Blu-ray)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: The Vigil; USA 2019
Genre: Horror, Mystery, Thriller
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 5.1