SLEEPLESS BEAUTY – GEFANGEN IM ALBTRAUM
(YA NE SPLYU)
Story
Nach einem gescheiterten politischen Attentat wird die nichtsahnende, junge Mila entführt und wacht verängstigt in einem abgeriegelten Raum auf, in dem ihr Leben alsbald zum Alptraum mutiert.
SLEEPLESS BEAUTY – Kritik
Auf die Chance hin, hier eine internationale Außenseitermeinung einzunehmen: Meine Güte, was für ein verstörender, fieser, auswegsloser, alptraumhafter Streifen doch, meine Güte, was war ich mitgenommen. Und doch: Der vierte Langfilm des russischen Regisseurs Pavel Khvaleev ist kein wirklich „guter“ Film, kein clever geschriebenes, doppelbödiges, oder auch nur logisches Meisterwerk. Aber wenn er klappt, dann so richtig. Das durchaus gelungene Coverdesign der deutschen Blu-ray schmückt auch das Menü, in dem wir direkt russischen Synthiewave mit weiblichen Gesang lauschen, der inhaltlich wohl bereits über Hoffnungslosigkeit und Misstrauen reflektiert.
In relativ schäbiger Qualität kriegen wir herangezoomtes Material einer feierlichen Museumseröffnung zu sehen, als plötzlich ein Schuss fällt und sich das Video als live im Darkweb gestreamt offenbart – im Chat herrscht Enttäuschung, da das Ziel des Attentats überlebt hat. Die beobachtende Kälte künstlicher Linsen wird in der ansprechend inszenierten Exposition nun fortgeführt, da mehrere Überwachungskameras unsere Protagonistin Mila, überzeugend gespielt von Polina Davydova, nun beim Kauf eines Fisches für ihren Vater, sowie der Ankunft in ihrem recht schäbigen Mietshaus, filmen. Sobald wir keinem Material diegetischer Kameras mehr folgen, setzt zum Glück auch moderner, stimmiger HD-Look mit behutsam kadrierten Aufnahmen ein, bevor Mila nach knappen 10 Minuten höchst effektiv ausgeknockt und entführt wird.
Und wie in ideenlosen, eintönigen, niedrig budgetierten Genrefilmen fast schon üblich, wacht Mila nun in einem bunker/keller-ähnlichem Raum auf, aus dem sie so schnell nicht mehr herauskommt und in dem nun ein Großteil des Films spielen wird. Doch während das bei besagten innovationslosen Langweilern ein Grund zum baldigen Abschalten wäre, so weiß „Sleepless Beauty“ um die Limitierungen seiner Inszenierung und nutzt darum einen Clou, der sich deutlich vom Rest abhebt. Zuerst einmal tut es das grundsätzliche Level des Films schon, denn der Online-Livestream hat einen, soweit ich das nachvollziehen konnte, durchaus realistischen und nicht durchschaubar geschriebenen Chatbereich mit allerlei abfälligen bis schockierten oder gar gelangweilten Reaktionen, das Setting wird durch eine gruselige Raumatmo, regelmäßiges Piepen, Rauschen, Pochen und Flimmern audiovisuell bestens unterstützt, unsere Hauptdarstellerin scheint hilflos ausgeliefert, unschuldig und weder selber schuld, noch unsympathisch und die sadistischen Spiele, mit denen Mila u.a. gefoltert wird, sind üblicherweise rein psychischer, nicht physischer Natur.
Wer also eine exploitativ halbnackte junge Frau leiden sehen wollte, die aufgeschnitten oder gar vergewaltigt wird, um sich zu rächen oder auch nicht, der wird hier enttäuscht werden. Doch diese oberflächliche Ebene der Verstörung und des ziellosen Horrors ist es nicht, die in diesem Film vorherrscht. Das Böse sitzt tiefer. Nach 19 Minuten Film und der Vorstellung der Grundprämisse beginnt das eigentliche Märtyrium und zeitgleich die Ermittlungsarbeit der Polizei, Letzteres geerdeter und realistischer, als Ersteres. Und dann, ein „Saw“ nicht unähnlich sadistisches Spiel später, geschieht es das erste Mal: Ich hab mich erschrocken, war schockiert, kurz panisch, habe pausiert und durchgeatmet. Geht es jetzt etwa derart höllisch und mich packend weiter? Noch nicht ganz – nach dem gelungenen Einstieg und Teaser der absoluten Hölle folgt nun die vermutlich schwächste, wenn auch kurze und immer noch solide Phase des Films, da nun weder in den – teils ganz kreativ geschriebenen – Demütigungen bzw. „Spielen“, die mit Mila getrieben werden, noch in der Ermittlungsarbeit im Mietshaus allzu viel passiert, oder nach vorne getrieben wird. Zudem muss zu diesem Zeitpunkt, nach Tagen der Folter und Entführung, mal festgehalten werden, dass der Titel des Films, „Sleepless Beauty“, imo darum total fehl am Platz ist, weil der Film selber die Idee der Schlafentzugs-Folter nie weiter aufgreift oder erklärt und Mila auch nach Tagen der Folter, des Stresses und des angeblichen nicht-Schlafen-Könnens unbewacht auf dem Boden rumliegt, aber es trotzdem schafft, die Augen offen zu halten?
Aber gut, das Hinterfragen der Logik ihrer Situation bzw. der Details einiger Szenen schadet eher, was dafür keinesfalls schadet, das ist fast alles von nun an. Denn hat man die generischeren Szenen geschafft, die sich zwischen 20 Minuten Exposition und 10 Minuten marginal enttäuschendem Ende tummeln, so bleibt nur noch das Main Meat, die größte Stärke dieses russischen Brainfucks. Und ohne diese zu spoilen, kann ich nur preisgeben dass ich die Hölle gesehen habe, und das sie kein angenehmer Platz ist. Nein, diese übersexualisierte, fleischige Vision von endlosem Schmerz, dem Zyklus unentrinnbar riesiger, Dali bis Giger bis Clive Barker-esquer Architektur endlosen Leidens und Schmerzens, so drückend mit irrem Sounddesign und hallenden Schreien inszeniert, verwoben in diese äußerst greifend intensiv abgefuckt hoffnungslose Situation der Entführung und Folter, ist nichts anderes als mutig und gar innovativ. Noch in keinem Film habe ich, ohne dass das Genre leicht gewechselt wird oder es für sich steht, eine solche Sequenz mit einem solchen Gänsehaut-Faktor in einem Horrorfilm gesehen und seit etwa einem Jahr hab ich auch keinen Film mehr gesehen, der eine solch viszerale, physische „Fight or flight“-Reaktion getriggert hat.
Guckt diesen Film alleine, guckt ihn im Originalton, guckt ihn auf großer Leinwand und mit Headset oder aufgedrehter Anlage – schafft man es, über die Genrekonventionen und ggf. aufkeimenden Logikprobleme hinwegzugucken, wird man hier mit einer Grenzerfahrung konfrontiert, die keine Splatter-FX oder typische Exploitation nötig hat, um druckvoll einen immerhin durchschnittlichen Plot auf ein ganz anderes Niveau zu heben, nur durch die Inszenierung.
SLEEPLESS BEAUTY – Fazit
Wie alltägliche Genrekost wirkender und anfangender Horrorfilm, der sich nach und nach als höllischer Alptraum entpuppt. Nicht ohne Logikfehler, aber sehr gut inszeniert und gespielt, mit kraftvollem Sounddesign, starkem Soundtrack, gekonnten Bildern und absolutem Verstörfaktor, wenn man für „sowas“ empfänglich ist. Unfassbar knapp noch 8/10.
SLEEPLESS BEAUTY – Zensur
Die deutsche Fassung von „Sleepless Beauty – Gefangen im Albtraum“ ist ungeschnitten und für Zuschauer ab 18 Jahren geeignet.
SLEEPLESS BEAUTY – Deutsche Blu-ray
(c) M-Square Pictures / daredo (Soulfood) (Blu-ray im KeepCase)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Ya ne splyu; Russland 2020
Genre: Thriller, Horror
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Russisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 2.35:1 (1080p) | @23,976 Hz
Laufzeit: ca. 84 Minuten
FSK: keine Jugendfreigabe (ungeschnittene Fassung)
Verpackung: Blu-ray im KeepCase mit Wechselcover
Extras: Trailer, Trailershow
Release-Termin: KeepCase: 28.05.2021
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SLEEPLESS BEAUTY – Trailer
Alexander Brunkhorst
(Rechte für Grafiken liegen bei M-Square Pictures / daredo (Soulfood) )
Ähnche Filme:
Experiment Killing Room (2009)
Truth or Dare (2012)