Filmkritik: „Blaze“ (2022)

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BLAZE

Story

 
 
 

Als ein Mädchen Zeugin einer Vergewaltigung wird, flüchtet sie sich mehr und mehr in eine Art Fantasiewelt, die von einem Drachen bewohnt wird.

 
 
 


 
 
 

BLAZE – Kritik

 
 
 
Braucht man Horror, wenn man das Erwachsenwerden kennt? Ist dies nicht schon Horror genug? Weil es solche Fragen gibt, gibt es zwischen dem Coming-of-Age-Drama und dem Horrorfilm auch schon seit längerer Zeit keine klaren Grenzen mehr. Besonders im Independent-Bereich werden beide Genre gerne mal vermischt. Genau daran versucht sich auch „Blaze“, der mit einer simplen Geschichte daherkommt, die aber wirklich sehr künstlerisch aufbereitet wurde. Sofern sich der Zuschauer darüber bewusst ist, dass er hier absolut keinen Horrorfilm zu sehen bekommen wird, kann er mit der dargebotenen Qualität durchaus zufrieden sein.
 
 
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Die zwölfjährige Blaze, die alleine bei ihrem Vater aufwächst, wird eines Tages Zeugin einer Vergewaltigung. Es dauert nicht lange, bis Beweise aufgenommen wurden und man Blaze verhört, doch durch gute Anwälte seitens des Täters glaubt dem Mädchen niemand. Sie selbst haben das Ereignis und die Auswirkungen davon dermaßen schockiert, dass Blaze sich in ihre eigene Fantasiewelt zurückzieht, in der ein mächtiger Drache das Sagen hat. Doch wird das Problem dadurch eher verstärkt oder gemildert?
Das Drehbuch wirkt am Anfang völlig eindeutig und klar, wird hinterher jedoch noch deutlich mehr mit Interpretationsfreiräumen gespickt. Das wurde schon gut geschrieben und aus der simplen Eingangsprämisse hat man durchaus etwas gemacht. Allerdings ist der Erzählverlauf auch relativ sperrig und man kann die Geschehnisse nicht immer völlig greifen. Ob man damit nun etwas anfangen kann oder nicht, liegt am Ende also im Auge des Betrachters, denn so eigenwillig „Blaze“ auch erzählt wird und so viel Substanz er zwischen den Zeilen auch zu bieten haben mag, so fraglich ist ebenfalls, ob das jeden Zuschauer erreichen kann. Außerdem wird das typische Schema „Einleitung-Hauptteil-Schluss“ hier wenig befolgt, weshalb das Ganze manchmal schon ein wenig trocken wirkt.
 
 
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Definitiv kann man sagen, dass „Blaze“ ein Film ist, der von seinen Darstellern lebt. Und in erster Linie ist damit natürlich die Newcomerin Julia Savage gemeint. Sie verkörpert das selbstbewusste, aber irgendwie auch fragile Mädchen dermaßen authentisch, dass man gar nicht mehr an Schauspiel denkt. Das ist schon eine große Leistung, die man würdigen sollte. Daneben besitzt der Film mit Simon Baker ein Gesicht, welches man auch in Deutschland kennen dürfte. Baker ist in seiner recht umfangreichen Nebenrolle ebenfalls solide. Die restlichen Darsteller, von denen es nicht so viele zu sehen gibt, machen ihre Sache zweckdienlich, jedoch wenig auffällig. Die Figurenzeichnung lässt, genauso wie die Story, doch einiges an Interpretationsfreiraum offen, denn besonders viel erfährt man über die Charaktere eigentlich nicht. Dass es sich bei Blaze um ein heranwachsendes Mädchen handelt, das nicht nur die Problematik mit dem Erwachsenwerden bewältigen muss, sondern eben auch noch Zeugin einer schrecklichen Tat wurde, sorgt dabei für gewisse Merkmale, die das Ganze leicht markant wirken lassen. Eine tiefere Durchleuchtung fehlt dennoch und es wird nicht jedem Zuschauer leicht fallen, mit diesen Figuren warm zu werden.
 
 
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Und das Warmwerden fällt sicherlich auch nicht so leicht, wenn man nicht genau weiß auf welches Genre man sich hier einlässt. Mit Horror im ursprünglichen Sinne hat „Blaze“ nämlich atmosphärisch fast gar nichts zu tun. Es gibt ein paar Momente, die an einen Horrorfilm erinnern, aber ansonsten ist das hier ein waschechtes Coming-of-Age-Drama, welches sich eben nur an gewissen Elementen bedient, um die Geschichte eindrucksvoller zu erzählen. Natürlich gesellt sich auch noch eine Prise Fantasy mit hinzu, weil Regisseurin und Drehbuchautorin Del Kathryn Barton hier eben gerne mit dem Drachen spielt. Die Künstlerin, die mit „Blaze“ nach ein paar Kurzfilmen ihr Langfilmdebüt feierte, tobt sich stilistisch schon ziemlich aus. Da fühlt man sich in einem Moment an „Die unendliche Geschichte“ erinnert, nur um sich danach doch eher wieder wie in „Pan’s Labyrinth“ vorzukommen. Dabei klingen beide Vorbilder fast schon zu drastisch, denn „Blaze“ ist ein Film der unterschwelligen Töne. Es wird niemals zu viel und die Inszenierung hält sich, trotz einer gewissen Vielfalt, oftmals sehr zurück. Trotzdem oder gerade deshalb ist das von der Stimmung her ziemlich vielfältig und der sehr passende Indie-Soundtrack unterstützt die Atmosphäre nochmal sehr gut.
 
 
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Über den Unterhaltungswert kann man dennoch geteilter Meinung sein, denn selbst wenn „Blaze“ seine Faszination besitzen mag, so unterhält er doch nicht im typischen Sinne. Der gesamte Aufbau kommt sperrig daher und es dauert lange, bis mal etwas mehr geschieht. Dabei ist die Ausgangssituation schnell geklärt, nur danach nimmt der Film das Tempo völlig heraus. Das ist sichtbar bewusst so geschehen und auch gut so, aber Spannungselemente findet man deshalb eher weniger. Tatsächlich muss man sich mehr auf die Optik einlassen, denn dann bekommt man wunderbar unkonventionelle Momente geboten. Die recht simplen Puppen-Tricks kommen in Verbindung mit etwas CGI tatsächlich relativ effektiv daher und lassen den künstlerischen Werdegang der Regisseurin erahnen. Ob einem das nun reicht, um sich über ca. 100 Minuten gut unterhalten zu fühlen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Langweilig kann man das Endergebnis jedenfalls nicht nennen, höchstens etwas langatmig. Zum Finale nimmt das Geschehen noch etwas mehr an Fahrt auf, doch selbst hier hält sich das Ganze einigermaßen zurück. Das ist sympathisch, nur eben auch nicht besonders aufregend. Und wer hier Gewalt sucht, der wird sowieso nicht fündig, denn „Blaze“ ist am Ende absolut kein Horrorfilm, sondern ein Drama, welches keine drastischen Effekte benötigt, um seine Geschichte zu erzählen.

 
 


 
 
 

BLAZE – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
„Blaze“ wird so manchem vor den Kopf stoßen, weil er scheinbar mit der Assoziation an Horror vermarktet werden soll. Selbst wenn es minimale Horror-Elemente gibt, so hat das Resultat nichts mit einem Horrorfilm zu tun. Hier hat man ein Coming-of-Age-Drama vor sich, welches mit reichlich Fantasie gestaltet wurde und eine simple Geschichte einprägsam erzählt. Auf höchst unterhaltsame Art und Weise geschieht dies nicht, denn es gibt kaum Spannungselemente, fast gar keine Action und auch nicht gerade viel Humor. Dafür besticht die Atmosphäre mit einem surrealen, manchmal recht improvisationswürdigen Verlauf, der auch nach Ende des Filmes noch ein wenig Nachwirkung zeigt. Die Darsteller, allen voran Julia Savage, liefern voll ab und die handwerkliche Arbeit ist sowohl eigenwillig, wie auch gekonnt gestaltet. Deshalb hat man hier auch einen wirklich gelungenen Film vor sich, der jedoch die richtige Stimmung erfordert und im Endeffekt doch etwas zu sperrig daherkommt, um eine noch größere Wirkung zu erzielen.
 
 
 


 
 
 

BLAZE – Zensur

 
 
 
„Blaze“ besitzt fast gar keine grafische Gewalt. Zwar ist das Thema um Vergewaltigung nicht harmlos, wird aber niemals reißerisch verwendet und niemals zu drastisch dargestellt. Aufgrund des höheren Anspruchs sollte einer Freigabe ab 12 Jahren nichts im Wege stehen.
 
 
 


 
 
 

BLAZE – Trailer

 
 


 
 
 

Benjamin Falk

(Rechte für Grafiken liegen bei mk2 Films)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Pans Labyrinth (2006)
 
Raw (2016)
 
Hatching (2022)
 

Filmkritik: „Blood Flower“ (2022)

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BLOOD FLOWER

(HARUM MALAM)

Story

 
 
 

Als ein Teenager mit einer besonderen, übernatürlichen Gabe verstärkt Visionen eines Dämons erhält, muss er sich dem Kampf mit der satanischen Macht stellen.

 
 
 


 
 
 

BLOOD FLOWER – Kritik

 
 
 
Filme aus Malaysia sieht wohl selbst der experimentelle Filmfreund nicht alle Tage. Einen Horrorfilm aus diesem Land zu entdecken, kann man sicher als noch seltener bezeichnen. Doch dass auch aus diesem Land mit guter Genrekost zu rechnen ist, beweist „Blood Flower“ eindrucksvoll. Dabei geht der Film eine schöne Symbiose aus fernöstlichen Traditionen und den westlichen Sehgewohnheiten ein und lässt sich bestimmt als kleiner Geheimtip bezeichnen.
 
 
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Der Teenager Iqbal hat es nicht leicht. Er hat eine Begabung, die ihn zum Heillehrling macht. Auch seine Mutter besitzt dieses Talent und deshalb exorzieren sie gemeinsam mit dem Vater Dämonen aus besessenen Menschen aus. Eines Tages geht das Ganze jedoch schief und die Mutter von Iqbal stirbt dabei. Danach möchte der Vater nichts mehr von dieser Welt wissen. Stattdessen, um etwas Geld zu verdienen, pflegt er die aufwendigen Planzen eines Nachbarn. Dummerweise hat der in seinem Gewächshaus jedoch eine bedrohliche Kraft eingesperrt, die von Iqbal und anderen Kindern befreit wird. Plötzlich hat Iqbal immer wieder schreckliche Visionen und es ist ganz klar, dass er es hier mit einer Übermacht zu tun hat, die Grauenvolles will. Die Story ist gerade deshalb interessant, weil man es hier eben mal nicht mit dem typischen katholischen Dämonen zu tun bekommt, sondern mit malaysischen Mythen und einer anderen Religion. Vorwissen muss man darüber zwar nicht haben, um mit der Geschichte klar zu kommen, aber es fühlt sich eben doch alles anders an, als die x-te Variante eines typischen Exorzismus-Filmes. Nebenbei wird die Handlung dann auch noch ganz interessant vorgetragen. Zwar sind die Zutaten bekannt, aber wie man diese zusammensetzt, besitzt eine eigenständige Note. Außerdem bekommt das Ganze am Ende eine schlüssige Auflösung und deshalb lässt sich das Drehbuch als rundum gelungen bezeichnen.
 
 
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Wirklich interessant ist zudem die Atmosphäre, denn „Blood Flower“ ist kein reiner Exorzismus- und Dämonenfilm. Er bietet nebenbei ein paar vereinzelte Krimi-Elemente, hat ein bisschen Drama im Gepäck und schnuppert nicht ungern auch mal am Splatter-Kino. Diese Mischung mag überladen wirken, ist sie im Endeffekt aber nicht, weil alles stimmig zusammengefügt wurde. Dass es dabei abwechslungsreich zur Sache geht, versteht sich fast von selbst. So bekommt man klassischen Grusel, Jumpscares und ein paar echte Over-the-Top-Momente geboten. Ab und zu werden Ekeleffekte eingestreut und dann wäre da noch die Gewalt, die es in Filmen dieser Gattung in dieser Portion eher seltener zu sehen gibt. Manchmal artet das schon eher in Splatter aus und ist alles andere als harmlos. Gerade auch deshalb, weil selbst Kinder hier nicht verschont werden. Das ist schon ziemlich derb und besitzt zum Glück starke Effekte. Manches stammt zwar aus dem Computer, doch selbst diese Effekte sehen ordentlich aus. Der Gorehound, der sich also auch gerne mal etwas gruselt, kommt hier definitiv auf seine Kosten. Insgesamt ist der Grusel-Faktor zwar nicht sonderlich hoch und dennoch funktioniert die Stimmung prima, denn „Blood Flower“ ist ein echt düsterer und sehr ernster Film.
 
 
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Besonders aus handwerklicher Sicht vermag das Werk vollkommen zu überzeugen. Die gesamte Optik ist schon mal sehr gut und selbst wenn die Kulissen eher schlicht wirken, verfehlen sie ihre Wirkung nicht. Regisseur Dain Said weiß schon genau, was er da macht und bietet dem Zuschauer eine prächtige Inszenierung. Besonders daran ist zudem, dass es zwar fremde Zutaten gibt und man deutlich spüren kann, es hier eben mit keinem westlichen Film zu tun zu haben, es einem nebenbei aber dennoch leicht gemacht wird Einlass in diese Welt zu finden. Gerade deshalb ist auch der Unterhaltungswert ziemlich hoch. Nach der kleinen Vorgeschichte gibt es nur eine weitere kleine Einleitung, bis das Treiben an Fahrt aufnimmt. Sobald der Dämon erst mal frei ist, gibt es auch verstärkt Horror-Szenen. Diese werden immer nur kurz mal für etwas Familiendrama unterbrochen. Das hätte nicht zwangsläufig sein müssen, stört aber auch nicht. Die Figurenzeichnung macht es sich hier insgesamt etwas einfach und bietet reichlich viele Klischeetypen, doch für genügend Sympathien wird gesorgt und somit kann man dem restlichen Verlauf gespannt folgen.
 
 
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Und dieser hat es dann durchaus noch in sich. In der zweiten Hälfte gönnt man dem Zuschauer kaum noch Pausen und da wird der dämonische Terror schön zelebriert. Dabei geht es sogar ziemlich actionreich zur Sache. So vergehen die 102 Minuten Laufzeit reichlich flott und Längen sind nahezu keine zu finden. Dass man gerne zuschaut, liegt sicherlich nebenbei auch noch an den guten Darstellerleistungen. Besonders positiv auffallend sind dabei Idan Aedan als Iqbal, Bront Palarae als sein Vater Norman und Arnie Shasha als Ah Boy. Diese haben auch definitiv am meisten zu tun und gerade wenn es um die Darstellung der Besessenheit geht, wird das schon enorm stark gespielt. Alle anderen Schauspieler liefern jedoch ebenfalls ab. Zum Score kann man auch nur positive Worte verlieren und soundtechnisch ist hier sowieso eine ganze Menge los.

 
 


 
 
 

BLOOD FLOWER – Fazit

 
 
8 Punkte Final
 
 
„Blood Flower“ setzt nicht unbedingt auf subtile Töne und bietet actionreiche, abgefahrene Horrorkost, die nebenbei reichlich abwechslungsreich daherkommt und so manch eine Zutat bietet, die man von dem Genre eher weniger gewöhnt ist. Gerade deshalb ist das interessant und trotzdem fällt es nicht schwer einen Zugang zu diesem Werk zu finden. Handwerklich ist das schon sehr schick gestaltet, die Inszenierung sitzt und die Atmosphäre bietet derben Horror, den man so schnell sicher nicht vergessen wird. Dass das nebenbei ordentlich gespielt wird und die Story bis zum Schluss interessant bleibt, rundet das Ganze gelungen ab. Außerdem gibt es einige tolle Effekte zu sehen und es geht echt nicht harmlos zur Sache. Von daher eine ganz klare Empfehlung an alle, die auch mal den etwas anderen Exorzismus-Film sehen wollen!
 
 
 


 
 
 

BLOOD FLOWER – Zensur

 
 
 
„Blood Flower“ ist alles andere als harmlos. Hier werden selbst Kinder blutig umgebracht, es gibt einige Ekeleffekte und immer mal wieder eine gute Portion Splatter zu sehen. Alles andere als eine Freigabe ab 18 Jahren wäre deshalb unrealistisch!
 
 
 


 
 
 

BLOOD FLOWER – Trailer

 
 


 
 
 

Benjamin Falk

(Rechte für Grafiken liegen bei Reel Suspects)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
The Medium (2021)
 
Abyzou 82022)
 

Filmkritik: „The Leech“ (2022)

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THE LEECH

Story

 
 
 

Nachdem ein Priester einem hilfsbedürftigen Mann Einlass in sein Haus gewährt hat, wird sein Glaube auf eine harte Probe gestellt.

 
 
 


 
 
 

THE LEECH – Kritik

 
 
 
Die erste Jahreshälfte ist noch nicht einmal herum, da darf man sich schon einen Weihnachtsfilm anschauen. Warum auch nicht – Wird die Thematik hier doch nochmal extra mit christlichem Glauben serviert und Ostern war ja auch gerade eben erst. „The Leech“ ist allerdings sowieso schwer zu kategorisieren und wird längst nicht jedem gefallen. Dabei ist mit den einfachsten Mitteln aber dennoch ein einprägsamer Film entstanden, den man zwar nicht mögen muss, der aber dennoch eine gewisse Eigenständigkeit besitzt.
 
 
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Der Priester David versucht alles, um seine Gemeinde in die Kirche zu locken, aber er schafft es nur bedingt. Der herzensgute Mensch ist sich keiner guten Tat zu schade und als er dem hilfsbedürftigen Terry begegnet, lädt er ihn auch gleich schon zu sich nach Hause ein, um dort ein Dach über vier Wänden zu haben. David kann noch nicht ahnen, dass sich auch die Freundin von Terry bald dazu gesellen wird und dass er sich dann nur noch mit der Sünde konfrontiert sehen soll. Eine Story ist hier eigentlich nur marginal vorhanden und dennoch hat „The Leech“ einiges zu erzählen. In der Handlung lässt sich nämlich durchaus bissige Gesellschaftskritik, sowie auch eine gehörige Portion Satire entdecken. Außerdem besitzt das Drehbuch doch etwas Interpretationsfreiraum, weil längst nicht alles so klar erscheint, wie das auf den ersten Blick vielleicht der Fall sein mag. Schlüssig aufgeklärt wird allerdings nichts und am Ende ist man auch nicht unbedingt schlauer, als zuvor. Deshalb muss man sich mit dieser Art der Geschichtenerzählung schon anfreunden müssen. Gelingt einem dies, dann wird man mit einer unkonventiollen Story belohnt, die zwar aus bekannten Zutaten besteht, diese aber eben völlig anders zusammensetzt.
 
 
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Auch mit dem Stil von „The Leech“ muss man sich durchaus anfreunden können. Der Film wurde nämlich wirklich reichlich minimal gehalten. Der Hauptschauplatz ist ein schlichtes Haus, welches nun sicherlich keine großen Schauwerte mit sich bringt. Obwohl es öfter mal einen kurzen Kulissenwechsel gibt, kommt einem der Begriff „Kammerspiel“ in den Sinn. Regisseur Eric Pennycoff, der mit „The Leech“ seinen zweiten Langfilm realisierte, macht eigentlich überhaupt nichts Außergewöhnliches und dennoch gelingt es ihm mit der Inszenierung zu punkten. Der gesamte Film ist so schlicht gehalten, dass es schon wieder bemerkenswert ist. Noch bemerkenswerter ist, dass er trotz dieser Einfachkeit irgendwie fesselnd wirkt. Dies liegt an einer Atmosphäre, die man schwer zuordnen kann. Die gesamte Stimmung befindet sich irgendwo zwischen rabenschwarzer Komödie und Drama. Ein wenig Horror gesellt sich ebenfalls hinzu, dann wäre da noch die Sache mit der Religion und schlussendlich spielt sich ja auch alles an Weihnachten ab. Viel Weihnachts-Stimmung kommt mitnichten auf und trotzdem ist dieses Element nicht zu vernachlässigen. Wirklich lustig ist das eigentlich nie und dennoch macht der Film teilweise Spaß. Nebenbei besitzt er jedoch auch eine unterschwellige Bedrohung. Man kann förmlich spüren, wie sich hier das Unheil anbahnt und deshalb wirken manche Szenen dann schon fast beklemmend in ihrer simplen Art.
 
 
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Ob man das nun als unterhaltsam empfindet oder nicht, liegt ganz an den eigenen Sehgewohnheiten. Viel geschieht in „The Leech“ jedenfalls nicht. Überwiegend besteht das Werk aus Dialogen und manchmal kommt es auch zu leicht surrealen Momenten. Blutiger wird es erst im Finale, wobei auch hier niemals nur ansatzweise irgendwelche Grenzen überschritten werden. Spannung entsteht so an sich keine und dennoch ist eine Spur davon vorhanden, was an der bereits zuvor genannten unterschwelligen Bedrohung liegt. „The Leech“ ist mit seinen 82 Minuten zum Glück nicht zu lang ausgefallen und besitzt demnach eigentlich auch keine Längen, wobei man schon etwas geduldig sein sollte. Am Ende wird man dafür mit so manch einer verschrobenen Szene belohnt. Selbst wenn das Finale nicht unbedingt das halten kann, was man sich als Zuschauer erhofft hat, ist es doch gerade die Kombination mit einer gewissen Dramatik, die einen hier zu fesseln vermag.
 
 
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Und damit dass so gut funktionieren kann, braucht es natürlich ordentliche Schauspieler, die „The Leech“ zum Glück vorzuweisen hat. Graham Skipper macht seine Sache als Priester auf jeden Fall sehr gut. Man kauft ihm die Rolle ab und baut auch einen gewissen Draht zu seiner Figur auf. Dafür braucht es keine ausgefeilte Figurenzeichnung, denn dieser klischeehafte Charakter wird durch das authentische Schauspiel zum Leben erweckt. Und genauso ergeht es auch dem heimlichen Star des Filmes – Jeremy Gardner. Es macht schon Spaß Gardner dabei zuzusehen, wie er einfach hemmungslos auf alles pfeift und sich dabei doch stets noch etwas Charisma bewahrt. Ansonsten ist Taylor Zaudtke ebenfalls nicht schlecht und abgsehen davon spielt tatsächlich kaum jemand mit, was das Kammerspielartige natürlich noch mal verstärkt.
 
 


 
 
 

THE LEECH – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
„The Leech“ wird sicher nicht der nächste Weihnachtsfilm-Hit, aber er hat das Zeug zum unkonventionellen Weihnachtsfilm-Tip. Mit Horror hat das Ganze nun tatsächlich nicht so viel zu tun und trotztdem passt die Bezeichnung. Mit Komödie hat es ebenfalls nicht so viel zu tun und selbst hier passt die Kategorisierung. Insgesamt ist das von der Atmosphäre her sehr vielseitig und nicht so leicht zu greifen, weil es schwarzhumorig, bedrohlich, spaßig und sogar recht dramatisch zur Sache geht. Auf jeden Fall ist das eine packende Stimmung, die hier kreiert wurde, die zum Glück durch sehr ordentliche Darstellerleistungen transportiert wird. Die Inszenierung passt, Score und Soundtrack sind gut, die Story besitzt genügend Substanz, um nicht als zu belanglos durchzugehen und man fühlt sich solide unterhalten. Letzeres allerdings auch nur, wenn man mit der sehr minimalistischen Herangehensweise klar kommt. Konventionell ist das absolut nicht und es wäre sogar noch mehr Potenzial vorhanden gewesen, aber trotzdem besitzt „The Leech“ das gewisse Etwas, welches ihn nicht so schnell vergessen machen wird!
 
 
 


 
 
 

THE LEECH – Zensur

 
 
 
„The Leech“ besitzt nur wenig grafische Gewalt. Es gibt Drogenkonsum zu sehen, aber Blut wird nur gegen Ende vergossen und es artet nie in Splatter aus. Eine Freigabe ab 16 Jahren wäre deshalb angebracht.
 
 
 


 
 
 

THE LEECH – Trailer

 
 


 
 
 

Benjamin Falk

(Rechte für Grafiken liegen bei MPI Media Group)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Killer Joe (2011)
 
Stille Nacht, Horror Nacht (1984)

 

Filmkritik: „Hunt Her, Kill Her“ (2022)

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HUNT HER, KILL HER

(NIGHT SHIFT)

Story

 
 
 

Für eine junge Frau wird der neue Job als Hausmeisterin in der Nachtschicht zum reinen Überlebenskampf, als ein paar maskierte Männer einbrechen.

 
 
 


 
 
 

HUNT HER, KILL HER – Kritik

 
 
 
Um den Zuschauer zu überzeugen, braucht es nicht immer Innovationen. Besonders im Terror-Kino ist die Hauptsache, dass die Inszenierung packend gestaltet wurde. Ist dies der Fall, ist eine clevere Story schon gar nicht mehr so wichtig. Genau das hat sich scheinbar auch das Regie-Duo Greg Swinson und Ryan Thiessen gedacht. Ihr „Hunt Her, Kill Her“, der im Original den passenderen Titel „Night Shift“ erhalten hat, wurde völlig auf das Wesentliche reduziert. Damit gewinnt man nun wirklich keine Innovationspreise, aber ein spannendes Filmchen für Zwischendurch ist durchaus entstanden, was eben an der enorm gelungenen Inszenierung liegt.
 
 
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Karen muss dringend Geld für ihre Tochter und sich verdienen, weshalb sie einen unangenehmen Job als Hausmeisterin in der Nachtschicht annimmt. Die riesige Lagerhalle ist nachts komplett verlassen und da gruselt es Karen schon ein wenig. Das ist auch völlig berechtigt, wie sie bald herausfinden muss. Ein paar maskierte Männer dringen nämlich in die Lagerhalle ein und wollen Karen an den Kragen. Für diese bleibt nur eine Wahl: Kämpfen, um zu überleben. Sehr viel reduzierter kann so eine Story eigentlich kaum sein. Das ist eine Home-Invasion-Geschichte, nur dass sie sich dieses Mal eben am Arbeitsplatz abspielt. Deshalb ist der Schauplatz natürlich auch etwas größer. Es geht dann im gesamten Verlauf wirklich nur um den Überlebenskampf und Überraschungen bleiben dabei größtenteils aus. Nur am Ende versucht das Drehbuch doch noch etwas mehr aus der Sache zu machen und eine kleine Wendung einzubauen. Als Zuschauer sollte man dabei nicht so sehr auf Logik achten, denn einige Ungereimtheiten ergeben sich hier schon. Sieht man davon jedoch mal ab, dann funktioniert diese geradlinige Story gut.
 
 
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Und das liegt vor allen Dingen an einer gekonnten Inszenierung. Unfassbar, dass das Regie-Duo Swinson-Thiessen 2006 bereits mal einen Film drehten, danach aber sage und schreibe 16 Jahre gewartet haben, um ihr zweites Werk „Hunt Her, Kill Her“ zu realisieren. Die Inszenierung kann sich auf jeden Fall sehen lassen und die Beiden verstehen ihr Handwerk. Dass sich der gesamte Film nur in der Lagerhalle abspielt, ist hier absolut nicht negativ sondern passend. Besonders die schön effektiven Kamerfahrten durch die langen Gänge und Flure sorgen enorm für Stimmung. Das ist schon wunderbar dynamisch gestaltet und selbst wenn es etwas monoton zur Sache geht, so sorgt doch gerade diese gelungene Inszenierung immer wieder für genügend Abwechslung. Dass das Werk nebenbei kein hohes Budget hatte, bemerkt man niemals negativ, denn besonders die reduzierte Herangehensweise kann hier doch punkten. Dass es nebenbei so schnörkellos und kompromisslos zur Sache geht, sorgt für eine ernste Atmosphäre, die überhaupt keinen Platz für Humor vorsieht. „Hunt Her, Kill Her“ ist düster (ganz selten auch mal im optischen Sinne etwas zu dunkel) und bietet feinen Terror.
 
 
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Dass dieser funktioniert, liegt wiederum an einer guten Figurenzeichnung. Mit Karen hat man nämlich ein Opfer erschaffen, welches absolut nicht künstlich wirkt und einen authentischen Eindruck hinterlässt. Sie weiß sich zu wehren, wird jedoch nie zu übermächtig, ihr geschehen Missgeschicke, sie verhält sich aber nie dämlich. Dazu gibt es noch eine marginale Hintergrundgeschichte und schon hat man eine Protagonistin vor sich mit der man durchaus mitfiebern kann. Da ist es schön, dass mit Natalie Terrazzino eine geeignete Darstellerin gefunden wurde, die das völlig stimmig verkörpert und mit der Leistung punkten kann. Die restlichen, sehr wenigen Darsteller sind überwiegend maskiert und können deshalb nur schwer negativ auffallen. Von daher ist in diesem Punkt wirklich alles im grünen Bereich.
 
 
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Etwas schwächer fällt da lediglich der Unterhaltungswert aus, wobei das schon Jammern auf hohem Niveau ist. Da die Einleitung kurz ausfällt und „Hunt Her, Kill Her“ nach 20 Minuten sofort auf’s Gaspedal drückt, fällt es ihm hinterher etwas schwer die Spannung stets oben zu halten. Das Szenario verändert sich nämlich nicht mehr und deshalb besitzen die restlichen 70 Minuten dann leider ein paar Längen. An einer guten Portion Spannung ändert dies nichts und es bleibt insgesamt kurzweilig genug, es wäre nur nicht verkehrt gewesen, wenn man in der zweiten Hälfte noch irgendeine Neuerung eingebaut hätte, die für ein wenig Abwechslung sorgen kann. Der actionreiche Überlebenskampf sorgt im Endeffekt aber immer wieder für genügend Suspense, so dass man zufrieden sein kann. Und auch der Härtegrad ist passend. „Hunt Her, Kill Her“ ist definitiv keine Schlachtplatte geworden, aber wenn Gewalt notwendig ist, wird diese auch ausreichend zelebriert. Man ist heutzutage eindeutig Härteres gewohnt und dennoch gibt es ein paar Szenen, die echt nicht zimperlich sind. Die handgemachten Effekte sehen relativ simpel aus, erfüllen ihren Zweck aber ebenso gut, wie ein passender Score und allgemein eine hervorragende Soundkulisse.

 
 


 
 
 

HUNT HER, KILL HER – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
„Hunt Her, Kill Her“ ist ein völlig auf ein Minimum reduzierter Invasion-Horrorthriller, der mit einer effektiven Machart punkten kann. Die simple Story verliert eigentlich erst am etwas unlogischen Ende ihren Reiz, doch sowieso lebt dieses Werk am ehesten von seiner starken Inszenierung, die den begrenzten Schauplatz hervorragend einzufangen weiß. Die Hauptdarstellerin spielt das sehr gut, die Figurenzeichnung ist erfreulich sympathisch und sämtliche Verhaltensweisen angenehm logisch. Hinterher kommen zwar ein paar Längen auf, weil das Geschehen doch etwas monoton ist, aber genügend Spannung gibt es zwischendurch immer wieder, so dass man sich gut unterhalten fühlt. Ganz klar ist, dass „Hunt Her, Kill Her“ nicht der große Wurf ist, aber das will er auch gar nicht sein. Dies ist ein kleiner, aber wirklich stimmungsvoller Film, den man sich als Fan solcher Werke bestens anschauen kann!
 
 
 


 
 
 

HUNT HER, KILL HER – Zensur

 
 
 
„Hunt Her, Kill Her“ stellt keine selbstzweckhafte Schlachtplatte dar, zeigt Gewalt aber auch wenn es nötig ist. Da es jedoch eher selten so richtig grafisch wird sollte einer Freigabe ab 16 Jahren eigentlich nichts im Wege stehen, wobei es in Deutschland auch schon harmlosere Werke zu einer Freigabe ab 18 Jahren geschafft haben!
 
 
 


 
 
 

HUNT HER, KILL HER – Trailer

 
 


 
 
 

Benjamin Falk

(Rechte für Grafiken liegen bei Lighthouse Film | Raven Banner Entertainment)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Vicious: Nacht der Gewalt (2020)
 
Kidnapped (2010)
 

Filmkritik: „The Retaliators“ (2021)

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THE RETALIATORS

Story

 
 
 
Als die Tochter eines Pastors brutal ermordet wird, dürstet es dem Mann Gottes nach Rache und diese führt noch in viel finstere Gefilde, als er sich vorstellen kann.
 
 
 


 
 
 

THE RETALIATORS – Kritik

 
 
 
Metal bzw. Hard Rock und Horrorfilme gehen schon gerne mal Hand in Hand, haben aber vor allen Dingen in jüngster Vergangenheit immer mal wieder eine schöne Symbiose erfahren dürfen. Bei „The Retaliators“ geht es zwar thematisch überhaupt nicht um Musik, doch da der Film von Better Noise Films produziert wurde, die auch das Label Better Noise Music führen, bekommt man hier einen umfangreichen Soundtrack zu hören und zudem treten einige Herrschaften des Alternative Metals oder auch des Hard Rocks auf. Ob das alleine jedoch für einen guten Film ausreicht?
 
 
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Mitnichten! Schon beim Drehbuch fangen die Probleme an, denn „The Retaliators“ wurde ganz schön durchwachsen geschrieben. So ist bereits der Einstieg holprig geraten. Nachdem einem kurz klar gemacht wurde, dass da eine große Gefahr lauert, beginnt die Einleitung mit Vater und Töchtern. Hier verschwendet man allerdings seine Zeit, denn eine echte Beziehung ist für den Zuschauer niemals greifbar und die Szenen besitzen keine Wirkung. Auch der lange Dialog bei einem Drogendealer wirkt gänzlich austauschbar. In der ersten Hälfte häuft sich die Frage, was das Ganze denn eigentlich soll und es dauert wirklich zu lange, bis die ziemlich simple Story mal auf den Punkt kommt. Sobald sich das Geheimnis jedoch lüftet und man das erzählerische Experimentieren hinter sich lässt, kann „The Retaliators“ deutlich mehr punkten. In der zweiten Hälfte wirkt das wie eine Mischung aus „7 Days“ und „Haus der Vergessenen“. Glaubwürdig ist das alles nicht, reichlich übertrieben dafür allemal und so richtig originell will der Mix leider nicht wirken. Dafür muss man der Geschichte jedoch lassen, dass sie anfangs nicht zu vorhersehbar ist.
 
 
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Darstellerische Höchstleistungen sollte nun ebenfalls niemand erwarten, wobei der Film trotzdem ganz solide gespielt wird und mit einigen bekannten Namen aufwartet. Bekannt natürlich nur dann, wenn man gerne moderne Metal-Acts wie „Five Finger Death Punch“ oder „Papa Roach“ hört. So sind z.B. Ivan Moody, Zoltan Bathory und Jacoby Shaddix zu sehen. Aber auch Tommy Lee (Mötley Crüe) schaut mal vorbei. Das sind alles eher kleinere Rollen in denen nicht viel geschauspielert werden muss, die aber auch keineswegs fehlplatziert wirken. Die Arbeit der „echten“ Darsteller übernehmen dann Michael Lombardi (etwas fehlbesetzt), Marc Menchaca (reichlich düster) und Joseph Gatt (was für ein Tier!). Dies machen sie insgesamt brauchbar und dass die ganzen Typen nicht markant wären, kann man nun wirklich nicht behaupten. In einer winzig kleinen Rolle ist sogar Robert Knepper zu sehen. Die Figurenzeichnung bleibt allerdings höchst platt und legt es nicht gerade darauf an glaubwürdig zu wirken. Hier ist alles konstruiert und künstlich.
 
 
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Diese Tatsache stellt der Machart ab und zu ein Bein, denn lange Zeit kann sich „The Retaliators“ nicht so richtig entscheiden, was er eigentlich darstellen möchte. So wirkt er anfangs wie ein langweiliges Drama und mutiert dann zu einer Art düsterem Thriller. Gerade in diesem mittleren Teil wäre es wichtig gewesen, dass die Charaktere organisch wirken, was eben leider nicht der Fall ist. So verpufft hier auch die wohl gewünschte Wirkung. Sobald sich der Film dann aber auf das besinnt, was er im Endeffekt wohl am ehesten sein möchte, nämlich knallharter Horror, wird es schlagartig besser. Die letzte halbe Stunde ist schon ein Highlight. Hier gibt es viel Action und brachialen Splatter zu betrachten. Harmlos ist das nun echt nicht und die Effekte stammen überwiegend von Hand, was schön anzusehen ist. Dass der Soundtrack aus viel härterem Rock besteht, passt bei der Besetzung und dem Label natürlich und war zu erwarten.
 
 
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Hier besitzt „The Retaliators“ auch immer ein wenig Videoclip-Ästhetik, was nicht verwunderlich ist, denn das Regie-Duo Samuel Gonzalez Jr. und Bridget Smith haben auch beide schon Musikvideos gedreht. Aber neben einigen Kurzfilmen auch bereits ein paar Filme. Eine gewisse Erfahrung sieht man dem Resultat durchaus an. Optisch ist das alles schon ansprechend gestaltet. Wenn die harten Rocker sich in Nacht-Clubs aufhalten, die Musik dazu laut dröhnt, ist das zwar nichts, was man optisch nicht bereits kennt, seine Wirkung erzielt das aber dennoch. Sowieso kann man der Inszenierung kaum Vorwürfe machen. Am ehesten den, dass man hier etwas unentschlossen war, ob man es nun ruhig und nachdenklich oder doch möglichst laut und hektisch gestalten will. So ist jedoch immerhin für Abwechslung gesorgt, die sich auch durch die gesamte Atmosphäre zieht. Was in einem Moment nämlich noch düster und leise erscheint, ist im nächsten schon total chaotisch und schrill.

 
 


 
 
 

THE RETALIATORS – Fazit

 
 
6 Punkte Final
 
 
„The Retaliators“ besitzt genauso viel Licht, wie auch Schatten. Zu den Schattenseiten gehört auf jeden Fall das durchwachsene Drehbuch, welches gerade die Einleitung ganz schön versemmelt und viel zu lange nicht richtig auf den Punkt kommen will. Dafür kann sich die handwerkliche Arbeit sehen lassen und die Inszenierung bereitet einige hübsche Szenen auf. Die Darsteller werden nicht unbedingt gefordert, machen ihre Sache jedoch brauchbar und es macht schon Spaß, dass der Film stark in der Metal/Hard-Rock-Welt verankert ist. Leider ist die Figurenzeichnung ziemlich schwach geraten und man kauft hier niemanden seine Rolle so richtig ab. Entschädigung gibt es dafür vor allen Dingen im starken Finale, in dem es richtig krachen darf. Hier löst sich „The Retaliators“ von seiner Unentschlossenheit und bietet ein schönes Splatter-Fest. Ist die etwas wirre und unnötige erste Hälfte also erst mal überstanden, macht der Film letztendlich doch noch Spaß
 
 
 


 
 
 

THE RETALIATORS – Zensur

 
 
 
„The Retaliators“ ist alles andere als harmlos. Zwar wird nicht jede Gewalt-Szene explizit gezeigt, doch gerade im Finale splattert es gewaltig. Außerdem bekommen Filme mit Selbstjustiz-Thematik in Deutschland sowieso gerne höhere Freigaben. WSollte es „The Retaliators“ ungekürzt nach Deutschland schaffen, wird der Streifen einen roten Sticker erhalten.
 
 
 


 
 
 

THE RETALIATORS – Trailer

 
 


 
 
 

Benjamin Falk

(Rechte für Grafiken liegen bei Better Noise Films)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Haus der Vergessenen (1991)
 
7 Days (2010)
 

Filmkritik: „When I Consume You“ (2021)

When-I-Consume-You-2021-poster
 
 
 

WHEN I CONSUME YOU

Story

 
 
 
Ein unter steter Gewalt und Verwahrlosung aufgewachsenes Geschwisterpaar hat es gerade geschafft sich eine halbwegs stabile Perspektive aufzubauen, als die Wunden der Vergangenheit unvermittelt wieder aufgerissen werden.
 
 
 


 
 
 

WHEN I CONSUME YOU – Kritik

 
 
 
Der letzte Film meiner Festivalauswahl stammt aus der Feder und Regie des amerikanischen Regisseurs Perry Blackshear, dessen eindringlichen, psychologischen Charakter-Dramathriller „They Look Like People“ ich indieaffinen Genrefans nur ans Herz legen kann. Sowohl die grobe Genrebezeichnung, als auch die bewusst kleine Skalierung hat sein neuestes Werk mit dem Film aus 2015 gemein, doch während „They Look Like People“ noch vom Kontrast der Charakter seiner Hauptprotagonisten lebte und zudem einige perfekt durchkomponierte, distanzierte Einstellungen präsentierte, geht es bei „When I consume you“ noch eine gute Spur düsterer, persönlicher, eindringlicher und nahgegehender zu.
 
 

„Are you okay?“

 
 
Zu einem lauten Knall springt eine Tür auf und Daphne spuckt Blut sowie einen Zahn ins Waschbecken. Die junge Frau hat ein mysteriöses Symbol auf ihr Handgelenk tättowiert und hört einen Piepton, dann sitzt eine nackte Person mit leuchtenden Augen unvermittelt direkt vor dem Zuschauer und meine Nackenhaare haben sich innerhalb weniger Minuten aufgestellt. Willkommen bei 90 Minuten Angstzuständen.
 
 

„Evil is still out there and I will find it.“

 
 
Daphne und Wilson sind Geschwister, die nur durch gegenseitige Unterstützung eine traumatisierende und gewalttätige Kindheit, danach ihre unausgeglichenen und überstürzten Zwanziger überlebt haben. Nach Jahren der Therapie und Vergangenheitsbewältigung scheinen beide noch täglich an ihren Wunden zu knabbern zu haben, doch da Daphne erfolgreich als Project Manager einer großen Firma arbeitet und Wilson einer geregelten Existenz als Hausmeister nachkommt, neben der er auch noch eine Abendschule besucht um irgendwann Lehrer zu werden und anderen Leuten zu helfen, wagen sie es nun erstmals über eine Adoption nachzudenken. „With your history, what would you do if you were me?“ lautet die niederschmetternde Antwort auf die Nachfrage, die handgefilmten Einstellungen der überzeugend gespielten Verzweiflung auf Seiten unserer Protagonisten sind stets nah dran und unmittelbar, wirken authentisch.
 
 

„I have plans for you.“

 
 
Ebenfalls realistisch wirkt die beklemmende Panikattacke die Wilson unerwartet plagt, als er in bester Stimmung mit seinen Freunden Karten spielt – erst als er mit Daphne zusammen die Nacht auf dem Balkon verbringt und den Sonnenaufgang beobachtet, scheint er sich wieder etwas zu sammeln. Doch selbst diese kleine Hoffnung auf Besserung oder eine geregelte Zukunft wird am schicksalhaften Tag seines Job-Interviews dann auch noch genommen, und von hier an startet, unterstützt von clever genutzten POV-Aufnahmen, der eigentliche Ritt in den Abgrund.
 
 

„All this pain is just part of a process!“

 
 
Während ich die Wiedergabe des „Was“ aus Spoiler- und Effektivitätsgründen bereits an dieser Stelle beenden möchte, so ist das „Wie“ doch noch einige Zeilen wert: Denn „When I Consume You“ lebt viel mehr von seiner Atmosphäre, Trostlosigkeit, Inszenierung und durch die Charaktere statt Drastik nahegehender Brutalität, denn von einer allzu originellen oder neuen Story. Die dreckige Großstadtkulisse ist auf dunkle Wohngebiete, unterbeleuchtete Parkplätze und versiffte Seitengassen beschränkt, im Hintergrund stets die Mischung aus dröhnenden Autobahnen, Schüssen, kläffenden Hunden und Polizeisirenen. Inmitten dieses Molochs finden sich zwei verzweifelte und vernarbte Seelen, die nur ihr gegenüber haben um mit sich, ihrer Situation und Vergangenheit klar zu kommen.
„Everything is the ocean and we’re just waves.“
 
 
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Dass die ab Zeitpunk x angedeutete Route bzw. Auflösung bis zum Ende durchgehalten wird ist im späteren Verlauf genau so konsequent wie vorhersehbar und dadurch weniger effektiv, auch stört das teils laienhafte Schauspiel eines einzelnen, overactenden Charakters den Fluss des Films und die Grundprämisse und Spannung von Blackshears vorherigen Slowburn fand ich deutlich spannender. Dennoch, von zwei eher unnötigen Jumpscares und einer nervigen Übererklärung am Ende abgesehen klappt der leichte Horror-Faktor im Hintergrund des Films dadurch so gut, dass die Ausgangssituation glaubhaft und beklemmend ins Wohnzimmer transportiert wird, was neben dem eindringlichen Sounddesign und der ernsten Thematik an sich in erster Linie an den Performances von Evan Dumouchel und Lilly Ewing liegt, denen man ihre gepeinigte Existenz, nur abgeschwächt durch wenige harmonische, menschliche und friedliche Momente, zu jedem Moment abkauft.
 
 
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Es ist nämlich ein äußerst realistischer, wahrhaftiger und darum auch so perfider, geradezu nihilistischer Horror, den Blackshear dem Zuschauer zumutet und je nach der eigenen Persönlichkeit oder Hemmschwelle des Zuschauers für eine solche Narrative, kann der Effekt so mancher prinzipiell gar nicht so bemerkenswerter Szene schnell verdoppelt werden, ohne dass es je in exploitative „misery porn“-Gefilde abdriften würde.

 
 


 
 
 

WHEN I CONSUME YOU – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
Düsterer, nihilistischer, dramatischer, realistischer psychologischer Horror über die angestauten Dämonen der Vergangenheit und ihre drastischen Konsequenzen.
 
 
 


 
 
 

WHEN I CONSUME YOU – Zensur

 
 
 
„When I Consume You“ ist keine Schlachtplatte. Der Film schlägt eher leise Töne an und ist mehr Drama als Horror. Der Film zehrt von einer hoffnungslosen Atmosphäre und belastenden Themen. Saftig-blutige Momente sind kaum vorhanden. Demnach kann man hier mit einer FSK 16 rechnen.
 
 
 


 
 
 

WHEN I CONSUME YOU – Trailer

 
 


 
 
 

Alexander Brunkhorst

(Rechte für Grafiken liegen bei Yellow Veil Pictures)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Hemorrhage (2012)
 
Where the Devil Dwells (2014)
 

Filmkritik: „Catch the Fair One – Von der Beute zum Raubtier“ (2021)

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CATCH THE FAIR ONE – VON DER BEUTE ZUM RAUBTIER

(CATCH THE FAIR ONE)

Story

 
 
 
Kaylee hat sich geschworen, ihre Schwester wieder zu finden, koste es was wolle.
 
 
 


 
 
 

CATCH THE FAIR ONE – Kritik

 
 
 
Es scheint mir wirklich, je ausgegorener und entschlackter, tonal überzeugender und kurzweiliger, spannender und alles in Allem gelungener die Filme, desto kürzer und simpler können auch meine Reviews gehalten werden – „Catch the Fair“ One ist ein spannender, geradliniger und rauher Thriller, der Realismus höher priorisiert als Stilisierung oder Action und wenn man jetzt noch einen Einblick in die Story kriegt, ist auch fast schon alles gesagt.
 
 
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Die Boxerin Kaylee trainiert vor ihrem nächsten Kampf auf einem roten Teppich, über Wasser halten tut sie sich und ihre Tochter mit einem Job als Kellnerin. Da ihre Schwester Weeta vor einiger Zeit verschwunden ist, kanalisiert sie die Frustration und den Schmerz dieser Erfahrung sichtlich in den Kampfsport, was Kali Reis‘ äußerst physische Performance vom ersten Moment an deutlich werden lässt. Seit nunmehr zwei Jahren fehlt Weeta in ihrem Leben und jede Spur fehlt, seit nunmehr zwei Jahren gibt sich Kaylee dafür die Schuld und verletzt sich selber. Ein einzelner, wuchtig inszenierter Kampf gegen einen echten Berg von Mann, ein unterkühltes bis feindseliges Gespräch mit ihrer entfremdeten Mutter – dann startet auch schon die Anspannung.
 
 
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Denn die eine Fährte, die nach zwei Jahren dann eben doch an die Oberfläche gelangt, ist die einer Menschenhändlerorganisation, die junge Frauen zwangsprostituiert – und die Kaylee nun, ganz im Foxy Brown-Style unter dem Deckmantel einer weiteren Prostituierten, unterwandern will. Doch da hören die Parallelen auch schon wieder auf, denn während Foxy Brown bei aller sozialpolitischen Relevanz so leichtfüßig wie exploitativ daherkommt, ist „Catch the Fair One“ hingegen an bitteren, unverblümt realistischen Szenen interessiert, die ohne unnötige Drastik einfach konzeptionell so unangenehm sind, dass sie sich beim Zuschauer einbrennen. Szenen ohne Kleidung sind hier nicht sexy und dienen nicht der voyeuristischen Befriedigung des male gazes, sondern sind beklemmend, Menschen abwertend und objektifizierend, nie erstrebenswert. Das Verabreichen von Heroin ist keine trippige, psychdelische oder halbnackte Szene sondern tut beim Zusehen weh, auch weil der Kontext hier besonders perfide ist. Vom selbstzweckhaften „misery porn“ oder einer insgesamt unangenehmen Filmerfahrung distanziert sich Josef Wladykas Debütwerk trotzdem mit Leichtigkeit, denn dafür ist man als Zuschauer zu investiert in den Charakter und die Story, dafür ist die Inszenierung zu wertig, dafür ist der Soundtrack zu imposant, nervös und bedrohlich, Spannung verursachend. Wer aufgrund solcher Beschreibungen und einer Boxerin als Protagonistin jetzt viel Action erwartet oder ausgefeilte Straßenkampf-Konfrontationen, der liegt allerdings falsch.
 
 
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Konfrontationen gibt es wenige, aber die die es gibt sind kurz und schmerzhaft, nüchtern und realistisch. Das Editing ist unauffällig und routiniert, die Bildsprache ikonisiert teils die Protagonistin, wirkt aber nie zu künstlich. Und auch wenn der weitere Verlauf der Handlung dieses gerade einmal 78 Minuten kurzen Films recht schnörkellos verläuft und man keine großen Überraschungen erwarten darf – so reicht das bei einer derart humorlosen, gnadenlosen und geerdeten Inszenierung auch einfach aus, um mitzufühlen, mitzuleiden und sich auf die spannende Gradwanderung der Identifikation zu begeben. Denn auf wessen Seite man in welcher Szene ist, wen man noch nachvollziehen kann und wen nicht, das ist sicherlich eine kleine Diskussion wert. Das Finale zeigt dann noch einmal, fast schon frech grinsend, wo eben der Unterschied zwischen einem „Taken“, einem Hollywood-Actionfilm mit Klischeeeinlagen und dem typischen Ende, und einer so viel mehr Einschlagswucht und Unterschied machenden Produktion wie „Catch the Fair One“ liegt – Chapeau!
 
 


 
 
 

CATCH THE FAIR ONE – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
Rauer, realistischer, nüchterner und trotzdem äußerst spannender, effektiver Thriller mit starker Hauptdarstellerin.
 
 
 


 
 
 

CATCH THE FAIR ONE – Zensur

 
 
 
„Catch the Fair One – Von der Beute zum Raubtier“ hat von der FSK in der ungeschnittenen Filmversion eine Freigabe ab 16 Jahren erhalten.
 
 
 


 
 
 

CATCH THE FAIR ONE – Deutsche Blu-ray

 
 
 
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(c) Meteor Film (Blu-ray im KeepCase)

 
 
 

TECHNISCHE DATEN


Originaltitel: Catch the Fair One; USA 2021

Genre: Krimi, Thriller

Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Deutsch DTS-HD MA 2.0, Englisch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 2.0

Untertitel: Deutsch

Bild: 1.78:1 | @23,976 Hz

Laufzeit: ca. 85 Min.

FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)

Verpackung: KeepCase

Extras: Trailer, Trailershow

Release-Termin: KeepCase: 03.03.2023

 

Catch the Fair One – Von der Beute zum Raubtier [Blu-ray im KeepCase] ungeschnitten auf AMAZON bestellen

 
 
 


 
 
 

CATCH THE FAIR ONE – Trailer

 
 


 
 
 

Alexander Brunkhorst

(Rechte für Grafiken liegen bei Memento Films International | Meteor Film)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Peppermint: Angel of Vengeance (2018)
 
Colombiana (2011)
 
Hard Candy (2005)
 

Filmkritik: „Offseason“ (2022)

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OFFSEASON

Story

 
 
 
Eine junge Frau fährt mit ihrem Mann auf eine abgelegene Insel um den Vandalismus am Grab ihrer Mutter zu untersuchen …
 
 
 


 
 
 

OFFSEASON – Kritik

 
 
 
Nachdem mein Auftakt des HARD:LINE-Festivals mit „Night Caller“ ganz bewusst nicht gerade ein Highlight war, ging ich doch äußerst guter Dinge in die nächste Sichtung, da US-Regisseur Mickey Keating in der Vergangenheit schon mit „Carnage Park“, „POD“ und „Darling“ auf sich aufmerksam machen konnte – alles Filme die ich zwar selber noch gucken muss, deren Reviews sich größtenteils aber sehr wohlwollend und kurzweilig lesen.
 
 
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Die weltbekannte Melodie eines alten, lizenzfreien Pianostücks läuft, dazu sehen wir grobkörnige, nostalgische Super8-Aufnahmen. Eine Frau schaut in die Kamera und richtet sich direkt an die Zuschauer, äußerst nervös wird ein mehrminütiger, gut gespielter Monolog performt, dann folgen ein abrupter Schrei und die Titlecard. Der mystische Soundtrack bereitet bestens auf das kommende Unheil vor, zu pittoresken Landschaftsaufnahmen werden wir informiert dass unsere Protagonistin Marie Eldritch, äh, Aldrich heißt und schnellstmöglichst nach Lone Palm aufbrechen soll, da dort das Grab ihrer Mutter beschädigt wurde.
 
 

Chapter 1: Lone Palms

 
 
Demnach fährt sie also mit ihrem Mann über die stürmischen Straßen der verschrobenen Insel, nur um in Rekordzeit mit Charakterdarsteller Richard Blake, seufzenden Chören, vernebelten Sackgassen und weißäugigen Einwohnern konfrontiert zu werden, was dann auch ziemlich gut den gesamten Film zusammenfasst. Ob das nun als Kritik oder Lob zu verstehen ist? Nun, das kommt ganz darauf an, was man sich von einer solchen Prämisse erhofft. Die lovecraftigen Innsmouth-Vibes sind überdeutlich, auch wird hier nach ganz klassischen, altbekannten und bewährten Mustern noch mit Nebel, langsamen Kamerafahrten, dunklen Häusern und undurchschaubaren Nebencharakteren Grusel verbreitet, statt etwa auf Gewalt zu setzen oder das Genre subversiv zu unterwandern. Als „Set-Porno“ zum atmosphärischen Einsaugen der fabelhaft inszenierten sowie eingefangenen Umgebung, als hochwertigerer Spukhaus-Trip zum Angucken, Nackenhaare aufstellen und nach Traumlogik suggestiv leiten lassen, klappt „Offseason“ also immer wieder ganz hervorragend.
 
 
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Wer hingegen an Originaltreue im Sinne von „echter Lovecraft-Huldigung“ interessiert ist, einen kohärenten, kurzweiligen Horrorfilm sucht oder auch nur eine spannende sowie logische Geschichte, der ist hier grundlegend falsch – „Offseason“ wandert zusammen mit seiner Protagonistin gerne assoziativ von Setting zu Setting, lässt seine Charaktere verschwinden, diffus reden und nie wieder auftauchen, lebt mehr von Schärfeverlagerungen und unheilvollen Klängen, als wirklich von einer greifbaren, oder logischen Bedrohung. Hier sowie in Donnie Darko wird von einer älteren Frau ein Sturm prophezeit und damit eigentlich etwas viel Größeres impliziert, selbst der selbe Soundtrack und das Geräusch der „Portale“ aus dem 2000er-Klassiker wird übernommen. Doch trotz dieser überdeutlichen Einflüsse würde ich mehr von einer kunstvollen Verwebung und Huldigung sprechen, als von einem billigen Plagiat – weder droht unsere Protagonistin aufgrund unaussprechlichen Schreckens ihren Verstand zu verlieren, noch handelt es sich um ein Coming-of-Age-Charakterstück. „Offseason“ ist viel interessierter an der Ästhetik und Wirkung leise geflüsterter Aussagen und alptraumhaft entrückter Bilder, als an deren Inhalten.
 
 

Chapter 2: Sandtrap

 
 
Im lokalen Pub werden Marie und George von einer wie in der Zeit eingefroreren Gruppe alter Männer ausgelacht und kein Stück ernst genommen, inmitten dieser lässt George seine Frau in der Hoffnung auf ein Telefon dann auch tatsächlich alleine, nur damit ein junger Fischer, gespielt von Indie-Horror-Genredarsteller und „After Midnight“ sowie „The Battery“-Regisseur Jeremy Gardner, sich prompt an sie ranzuschmeißen scheint. Nach zwei Tagen Hinfahrt, der problematischen Ankunft und der schnellen Flucht aus dem Pub erzählt Marie ihrem reichlich verwirrten Mann dann auch endlich mal, was es mit der Reise auf sich hat: Ihre Mutter habe sie aus Angst vor dieser „verfluchten“ Insel darum gebeten, auf keinen Fall hier begraben zu werden, komme was wolle. Und mehr noch, der Brief und die sich aufgrund des Sturms schließende Brücke, das beides wirkt inzwischen doch wie eine Falle auf sie.
 
 
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Beim Performen seiner Reaktion auf diese absolut wilde, verständlicherweise angezweifelte Geschichte kann Joe Swanberg, seinerseits spätestens aus „You’re Next“ bekannt, wirklich glänzen und einen Eindruck hinterlassen, während Hauptdarstellerin Jocelin Donahue (The Burrowers, The House of the Devil, Knight of Cups, Insidious 2) mit ihrer einvernehmlich verunsicherten und ängstlichen Performance größtenteils die Bildfläche dominiert. Strukturell sehr interessant ist hierbei, wie früh im Film Marie ihre Theorie bereits ausspricht und, sollte sie wahr sein, somit dem Dorf auf die Schliche käme. Doch hat sie Recht? Die dunkle Vermutung und die Unsinnigkeit des Unterfangens reichen dem Paar aus, um getrübt den Rückweg anzutreten – aber natürlich finden sie sich schnell in einem Labyrinth aus Sackgassen wieder, um dann zu einem wunderschönen 50s-Song einen Unfall zu bauen.
 
 

Chapter 3: Life’s A Dream

 
 
Zu erneut lizenzfreier, aber stimmiger klassischer Musik sehen wir in einem hochpoliert fotografierten Flashback, dass Marie bereits erfolglos versucht hat das offensichtlich manipulierte Testament ihrer Mutter zu ändern, zurück im hier und jetz lullt die bekannte Mischung aus Donnie Darko-Gedächtnissoundtrack und nebligen, verlassenen Straßen direkt wieder in den wohligen Genre-Alptraumhalbschlaf. Herausreißend wirken allenfalls die Sirenen und Trommeln einer bemüht spannenden, im Endeffekt aber hoffnungslosen, merkwürdig künstlich aussehenden und vorhersehbaren Hatz zur sich hochfahrenden Brücke, danach klingelt ein einsames Telefon in einem dunklen Raum voller Puppenköpfe und es wird ein leeres Museum mit Taschenlampe und undeutlich im Hintergrund vor sich hinredenden Lautsprecherdurchsagen erkundet. Unterkühltes Colourgrading, interessante Sets und eine investierte Hauptdarstellerin – genau so kann simples, aber höchst effektives Filmemachen aussehen.
 
 

Chapter 4: The Damned

 
 
Ganz im Kontrast dazu steht leider Keatings Entscheidung, im folgenden Abschnitt mit einem überbordend lauten Soundtrack zu arbeiten, der auf den Schockfaktor der Szene zu pochen und bestehen scheint, während visuell oder inhaltlich aber wirklich nichts Gruseliges passiert. Weitere graue Augen starren und durch einen miesen Jumpscare stehen auf einmal alle um Marie rum, ja, hui, aber da war die subtile und desorientierende Einlage zu Beginn des Films, in der eben jene weißen Augen in einem vernebelten Dschungel-Setting inszeniert wurden, doch deutlich effektiver. Was in den folgenden 2-3 Kapiteln und letzten ~35 Minuten noch alles passiert, das sollte man als interessierter Zuschauer natürlich am besten selbst erfahren – doch was ich hier noch lobend hervorheben muss ist, dass „Offseason“ ziemlich genau einen einzigen Horrormoment hat, genau eine Stelle in der es wirklich furchterregend sein soll, und dass diese trotz sehr simpler Effektarbeit und ohne jeden Splatter auch exakt so funktioniert hat, wie erhofft. Ganze zweimal kam ein wohliges Gänsehaut-Gefühl auf und dass einmal davon kurz vor den Credits war, ist diesem Herzblutprojekt natürlich auch hoch anzurechnen.
 
 
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Doch leider, leider gestaltet sich der Weg dahin durch eine Szene mit konstantem Overacting eines sonst eigentlich bewährten Darstellers recht nervig und zäh, auch wird durch mehrfach teils wortwörtlich wiederholte Dialoge und Themen die Intelligenz des Zuschauers massiv in Frage gestellt, wenn nicht sogar beleidigt. Und dann, nach dem unvermeidbaren letzten „Kniff“ dieses sehr simplen Scripts, endet „Offseason“ nach kurzen 79 Minuten auch einfach wieder und entlässt den Zuschauer in die sonnige, unvernebelte, wenig mysteriöse Realität. Denn genau das ist der Effekt, den Keatings Werk erfolgreich beim Zuschauer verursacht: Durch diesen stringent verdichteten, filmischen Alptraumtrip im ewigen Nebel verlässt man kurz die irdischen Sphären und lebt von dunklen Andeutungen und leerer Dunkelheit, geflüsterten Ängsten und bösen Vorahnungen. Vielleicht ist das Ganze etwas hohl und zäh und zu oft gesehen, aber dermaßen aufs Nötigste reduziert und ohne störende Klötze am Bein kann ich eine solche Geisterstadt-Tour doch größtenteils genießen.

 
 


 
 
 

OFFSEASON – Fazit

 
 
6 Punkte Final
 
 
Höchst stimmungsvoller, atmosphärisch gedrehter Set-Grusel mit pointierten Gänsehaut-Momenten, mitreißender Performance, mysteriösem Sounddesign und einem bewussten Minimum an Story.
 
 
 


 
 
 

OFFSEASON – Zensur

 
 
 
Bei aller alptraumhaften Atmosphäre beruft sich sich „Offseason“ keinesfalls auf brutale Effekte oder Splatter-Momente, weswegen einer knapp mit einer Szene verdienten FSK 16 hier nichts im Weg stehen dürfte.
 
 
 


 
 
 

OFFSEASON – Trailer

 
 


 
 
 

Alexander Brunkhorst

(Rechte für Grafiken liegen bei WTFilms)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Tot & begraben (1981)
 
Messiah of Evil (1973)
 
Der Leuchtturm (2019)
 

Filmkritik: „Night Caller“ (2022)

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NIGHT CALLER

Story

 
 
 
Ein lederhandschuhetragender, maskierter Killer terrorisiert eine Telefon-Wahrsagerin mit grausigen Visionen blutiger Tötungen …
 
 
 


 
 
 

NIGHT CALLER – Kritik

 
 
 
Als ich vor einigen Wochen bezüglich des „Hard:Line“-Festivals kontaktiert wurde, eines waschechten deutschen Genrefestivals in Regensburg, um einige der dort laufenden Genre-Premieren zu rezensieren, habe ich mich ohne Umschweife und vorfreudig durch die 15 Langfilme geklickt, um meine persönliche Auswahl herauszufiltern. Ganze acht Titel habe ich dabei auf Anhieb als für mich interessant eingestuft, da ich den grandiosen „Dawn Breaks Behind the Eyes“ aber schon auf dem Randfilmfestival in Kassel genießen durfte, einen deutschen Release für „The Medium“ äußerst wahrscheinlich halte und den Film dann lieber auf Blu-ray und Leinwand gucke und das Reboot der kultigen Slumber Party-Filme bereits vergeben war, blieben noch fünf prinzipiell verlockende, einladende, spannende Titel für mich zu sichten.
 
 
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Die niedrigste Erwartungshaltung, da will ich ganz ehrlich sein, hatte ich dabei von Anfang an bei dem vorliegenden Streifen, „Night Caller“, da die bisherige Filmographie des Regisseurs Chad Ferrin sich leider allzu billig, trashig und bodenlos schlecht rezensiert liest, von einigen treuen Amateur-Indiekinofans mal abgesehen. Selber hatte ich immerhin zwei seiner Werke bereits geehen, allenfalls volltrunken und mit beinharter Trashtoleranz ließe sich davon ansatzweise „Tales from the Crapper“ empfehlen, für den er sich allerdings auch nicht alleine verantwortlich zeichnet. Demnach also ganz bewusst mit dem vermutlich schlechtesten, hoffentlich einzig unterdurchschnittlichen Titel gestartet und siehe da, mit der richtigen Erwartungshaltung bleibt das Ärgernis doch tatsächlich aus. Was allerdings, soviel vorweg, keinesfalls etwas mit dem Casting diverser B-Movie-Genrestars zu tun hätte, wie es hier so großzügig in den Nebenrollen des Films betrieben wurde: So darf der filmaffine Zuschauer zwar in der Tat bekannte Darsteller wie Steven Railsback (aus Lifeforce, Helter Skelter, Alligator 2, Turkey Shoot oder The Devil’s Rejects), Robert Miano (Chained Heat, Firestarter, Donnie Brasco, Fast & Furious), Kelli Maroney (Chopping Mall, The Zero Boys, Fast Times at Ridgemont High, Hard to Die) oder sogar Lew Temple (Domino, 31, The Endless, Trailer Park of Terror, 21 Grams, Once Upon a Time in Hollywood) beäugen, nur kriegen diese in den wenigsten Fällen irgendwas Witziges, Unterhaltsames oder Spannendes zu tun.
 
 
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Als begrüßendes Opening Signal des Festivals wird zuerst einmal eine irritierend überlange, wenn auch professionell produzierte Rumwerbung geschaltet, danach folgt allerdings ein neugierig machender, hochwertiger Trailer des Festivals selbst, abgeschlossen von 30 Sekunden Grußbotschaft des Regisseurs. Direkt in den ersten Minuten könnte der Kontrast der Inhalte dann nicht größer sein, wenn „Crappy World Films“ und „Girls & Corpses“ einen Film präsentieren, der mit einem Oscar Wilde-Zitat über Masken beginnt. Ein schmissiger Bluessong läuft, weicht aber schnell angespannten Tönen und POV-Aufnahmen in den Opening-Credits, VHS-Kassetten und erfrorene Leichen, rote Lichter, ein Mann mit Wollmütze beobachtet aus dem Auto eine Treppe, in Lederhandschuhe gekleidete Hände werkeln an einem Radio herum. Der Mann aus dem Auto identifiziert sich als „James Smith“ als er bei „7 Psychics“ anruft, einem kleinen Telefon-Wahrsagerinnen-Service welcher aus einem einzelnen Raum besteht, in dem Clementine (Susan Priver) und Jade (Bai Ling) arbeiten. Die Schlüsselreize des Giallos werden durch gekonntes, bedachtes Framing und hübsche Beleuchtungen innerhalb weniger Minuten getriggert, der Mann flüstert krächzend unheilvolle Botschaften ins Telefon wie in wohligen 70s-Mysterys. „Thank you Clementine – we will talk again soon.“ raunt es aus dem Hörer und umhüllt von den atmosphärischen Klängen des Soundtracks, eingebettet in die farbenfrohe Retro-Ästhetik, macht dieser stimmungsvolle Auftakt definitiv Spaß sowie Lust auf mehr.
 
 
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Erst Recht wenn dann noch ein Mord folgt, der in einer „Profondo Rosso“-esquen Vision zwar bereits angedeutet wurde, inklusive aller blutigen Details der höchst sexualisierten Erstechung und Skalpierung des Opfers nun aber noch gezeigt und drastischst ausgespielt wird. Nach dem Schock der Vision des Mordes folgt die erste längere Dialogszene zwischen Clementine und Jade und hier zeigt der Film dann seine nervigste und anstrengendste Seite, die leider immer wieder für deutliche Abzüge bei mir gesorgt hat: Liest man im Cast spontan „Susan Priver“ und „Bai Ling“, so kennen die meisten Leute vermutlich definitiv die aus x großen Produktionen bekannte Ling, nicht aber die noch sehr unbekannte, gerade erst in ihrer dritten Produktion auftretende Priver – und erwartet demnach ggf. sogar, dass Ling hier abliefert und gut spielt, während Priver wohl besser in einer kleineren Rolle geglänzt hätte – doch das absolute Gegenteil ist der Fall. Ohne dass es je witzig, charmant oder dem Plot dienlich wäre, spielt Ling in diesem Film dauerhaft extrem aufgedreht, überdreht, hyperaktiv, unpassend, trashig, amateurhaft, im möglichst unverständlichen Akzent und mit hohlen, zu oft wiederholten Satzphrasen, so dass nahezu jede Szene mit ihrem Charakter ungenießbar wird – das wird online teils auch gefeiert und ganz anders gesehen, gar mit einer bewusst und dosiert overactenden Performance eines Nicolas Cage verglichen, aber mir hat die Penetranz und Inhaltslosigkeit dieser Rolle und Performance leider wirklich ein wenig den Film verdorben.
 
 
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Eine kurze Szene, in der Ling Clementine beratend massiert, überstanden, geht es weiter mit einem Besuch bei Clementines Vater, der leider auch weniger überzeugend spielt als seine Filmtochter und wenig zum Script beizutragen hat bis auf das Präsentieren von Filmpostern, seiner Sammlung und diversen Ausschnitten aus den Klassikern (u.a. Dementia 13), die er gerade guckt. Ebenfalls nicht fehlen darf natürlich der stereotype, frauenschlagende Alkoholiker-Ex-Mann, der Clementine trotz restraining order besucht und terrorisiert. Als wäre das nicht belastend genug wird sie zudem weiterhin von alptraumhaften Visionen und Träumen geplagt, in einer davon steigt der Killer bei Nacht in ein Haus ein. Eine Szene, die Ferris‘ Werk ganz gut zusammenfasst: Auch bei Nacht oder im Gegenlicht sind die Aufnahmen kompetent und klar zu erkennen, die Piano-Score ist anfangs noch atmosphärisch, bald aber zu repetitiv und langweilig. Für einen kaum budgetierten Indie-Film also alles nicht überragend, aber auch nicht von schlechten Eltern. Der Killer bricht in das Haus ein, ist dabei allerdings zu laut, weckt das Pärchen und wird tatsächlich einfach erschossen, mittelmäßiger Splatter inklusive, was die Szene als Vision von Clementine entpuppt. Clementine, unsere Protagonistin, sieht also den Tod des Antagonisten, des (noch) unbekannten Killers, vor ihrem geistigen Auge, in dem Wissen dass ihre Visionen gemeinhin wahr sind. Und was tut sie? Genau, sie warnt den Killer, als dieser das nächste Mal bei 7 Psychics anruft. Technisch kompetent, inhaltlich absolut unnachvollziehbar.
 
 
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Nächste Szene, nächstes Beispiel: Eine junge Frau wird in einem Parkhaus von einem dreckigen Obdachlosen überfallen, der droht sie zu vergewaltigen und flieht daraufhin auf die Straße, ruft einen Fahrservice, steigt nichtsahnend und freiwillig beim Killer ein – beste Argento-Kost, inklusive rot-blau-leuchtender Suspiria-Gedächtnisshots während der Autofahrt, nur leider endet es trotz aller audiovisueller Kompetenz dann in einem wenig spannenden oder brutalen Kill, der für sich abermals wenig bis nichts erzählt. Trotzdem, die gesamte erste halbe Stunde lang hat „Night Caller“ einen leicht überdurchschnittlichen, deutlich besseren Ersteindruck hinterlassen, als erwartet. Und dass Ling, wenn sie der sich übergebenden und weinenden Clementine hilft, minutenlang in ihr eigenes Spiegelbild hinein overacted und damit massiv auf den Senkel geht, kommt inzwischen auch nicht mehr unerwartet, kann also mit ganz viel Zähne zusammenbeißen fast schon ignoriert werden. Mehr noch, wenn der Vater – erneut, sehr argentoesque – in einem alten Film aus den Dreizigern einen wichtigen Hinweis für den aktuellen Fall findet oder die nebulösen, herrlich bizarren und fadenscheinigen Zusammenhänge zwischen Clementine und dem Fall klar werden, kann sich der geschulte Genrefan das Lachen sicherlich nicht verkneifen, die guten Ideen sind eindeutig da.
 
 
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Doch dann folgt ein unnötiger Fake-Jumpscare oder ein zu moderner, lauter Sound der die Retro-Vision zerstört oder eine zu ewige, erzwungen möglichst „krank“ und „gestört“ sein wollende, im Endeffekt aber nur alte Genre-Versatzstücke wiederkauende Szene, in der natürlich mit Nekrophilie und Crossdressing und Kindheitstraumata um sich geworfen wird, wie es unreflektierter und oberflächlicher nicht sein könnte. Und ganz unabhängig davon wie problematisch man einen solchen Umgang mit diesen Themen findet, ist es einfach öde, langweilig und zu häufig gesehen. So gerne ich also einen weiteren, gelungenen sowie dreckig-drastischen Neo-Giallo empfehlen würde, so sehr versagt „Night Caller“ dann leider doch in den Kategorien Konsequenz, Kurzweil, Script und Schauspiel, wenn man auch nur mit einem „Francesca“, „Abrakadabra“, „Tulpa“ oder gar „The Editor“ vergleicht. Die Klischeekiste der möglichen Hintergrundgeschichten wurde mit ein paar „heftigen“ Konzepten gefüllt und die Technik kann sich ebenso wie die Leistung der Hauptdarstellerin definitiv sehen lassen, gar einen Daria Nicolodi-Flair möchte ich ihr nicht absprechen, nur hilft das wenig bei den derart vorhersehbaren und vergessenswert generischen Genrepfäden, die im weiteren Verlauf verfolgt werden.
 
 
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Ganz Giallo-untypisch nämlich gibt es hier keinen finalen Twist, keine überraschende Offenbarung und auch kein einprägsames Bild, nur zu lange, ewige Szenen mit unblutigen Kills und einem schleppenden Pacing. Unser Medium spürt szenenabhängig auf x km oder eben gar keine Gefahr, die Kills sind teils gut gemeint aber meist mäßig getrickst, verfolgt werden inzwischen irgendwelche viel zu spät etablierten Cops. Der letzte Kill ist semi-originell aber dafür extrem dämlich, immerhin nicht so unspektakulär wie die Minuten davor, nach etwa 80 Minuten war es das dann auch endlich, oder schon, mit „Night Caller“. Was bleibt zu sagen? Nach dem unfassbaren Trashfest „Tales from the Crapper“ und dem bemüht kranken, teils höchst effektiven aber eben auch grauenhaft gespieltem „Someone’s knocking at the door“ wollte ich mal einen von Chad Ferrins anderen Filmen sehen, das habe ich jetzt getan und auch nicht bereut. Night Caller ist zu simpel, zu geradlinig und genau dafür auch zu lang und unspektakulär, Kills auf die man sich freut werden nicht gezeigt, dafür inhaltsmagere Szenen deutlich zu lange gestreckt oder wiederholt. Mit der Hauptdarstellerin und auch dem Killer hat man durchaus eine gute Wahl getroffen und die technische Seite stimmt größtenteils, viele Sets und Beleuchtungen und Frames können sich sehen lassen, doch auch das zerfasert sich im weiteren Verlauf des Films leider etwas, zumal Lings absolut grottiges Schauspiel sowie der repetitive Schauspiel immer wieder am Geduldsfaden zerren.
 
 


 
 
 

NIGHT CALLER – Fazit

 
 
3 Punkte Final
 
 
Recht minimalistischer No-Budget-Indieslasher mit gerade anfangs gefallendem Giallo-Einschlag und technischer Grundkompetenz, der sich nur leider durch ein unterdurchschnittliches Script und Schauspiel seines Potentials beraubt. Kein Film den die Welt braucht, aber auch keiner der weh tut.
 
 
 


 
 
 

NIGHT CALLER – Zensur

 
 
 
Aufgrund vereinzelt drastischer Morde samt blutiger Effekte dürfte der Film eine FSK 18, wenn nicht an einem guten Tag sogar 16 erhalten.
 
 
 


 
 
 

NIGHT CALLER – Trailer

 
 


 
 
 

Alexander Brunkhorst

(Rechte für Grafiken liegen bei Crappy World Films)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Francesca (2015)
 
Three Tears on Bloodstained Flesh (2014)
 

Filmkritik: „Arboretum“ (2020)

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ARBORETUM

Story

 
 
 
Erik und Sebastian leben auf dem Dorf, sind gelangweilt und werden gemobbt. Ohne Hilfe zu erhalten oder wirkliche Alternativen zu sehen liebäugeln sie mit Rachegedanken, bevor die Realität sie einholt.
 
 
 


 
 
 

ARBORETUM – Kritik

 
 
 
So richtig kann eine grobe Ersteinschätzung ungesehener Filme doch sein: „Night Caller“ war wie zu erwarten als Genre-Allesgucker oder reiner Bildästhet vielleicht sehenswert, sonst aber eher zu vernachlässigen, „Offseason“ hingegen definitiv eine kleine Indieperle für Freunde genau solcher Atmosphären, aber auch kein wirklich gut geschriebener Film. Eine weitere Qualitätsstufe nach oben geht es dann mit dem deutschen Indie-Genrefilm „Arboretum“, der 2018 mit einem überschaubaren Team in Hessen abgedreht wurde und auf mutig eigensinnige Weise Genrestile mischt, die man so nicht häufig zusammen in einem Film sieht.
 
 
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Es beginnt mit lautem Rechtsrock der im Auto die Nachrichten übertönt während durch die ländliche Umgebung Deutschlands gefahren wird, danach stochert unser Protagonist in einem toten Vogel rum, den er auf der Straße findet und zu gedämpften Bässen fährt die Kamera verdächtig lange auf den Wald zu.
 
 

Kapitel I: Es war einmal in Thüringen

 
 
Erik und Sebastian, so die Namen unserer gepeinigten Protagonisten, zocken in Eriks Zimmer ein Prügelspiel und unterhalten sich über ihre gelangweilte Dorfexistenz, „Ich will dass irgendwas passiert, irgendwas Wichtiges, irgendwas Großes!“ heißt es dort, nur um danach auf dem lokalen Scheunenfest von unangenehm realistischen Mobbern schikaniert und wortwörtlich angepisst zu werden. Während der Szenen der Feier selber verwundert es massiv, dass scheinbar schales Bier ohne Schaum getrunken wird, auch überzeugt Niklas Doddo in der Rolle des jüngere, ungeduldigen, zweiten Protagonisten nicht immer, doch insgesamt kommt trotzdem eher der Eindruck eines hübschen und originellen Indiefilms auf, nicht der einer peinlichen deutschen Studentenproduktion.
 
 

„Ich bin nicht politisch, ich bin gelangweilt.“

 
 
Als Erik Nachts nach Hause kommt, steht sein Vater still in seiner alten NVA-Grenzkompanieuniform vorm Spiegel und begutachtet sich mit getrübten Blicken. Auch in der Schule geht das Mobbing durch Patrick und seinen Kollegen weiter, Erik verteidigt Sebastian indem er mit expliziten Gewaltfantasien abschrickt, melancholische E-Gitarren klingen an. In einer Kneipe unterhalten sich die beiden über mögliche Racheideen, danach verlässt „Arboretum“ das erste Mal die bodenständige und realistische Inszenierungsweise, da Erik im Spiegel des Baderaums eine Vision hat, dreckiges Wasser aus dem Hahn läuft, ihn weiße Augen aus der Dunkelheit eines Waldes anstarren.
 
 

„Schau sie dir an.“

 
 
Als Erik zurück kommt hat Elke, eine alte Bekannte von Sebastian, sich dazu gesellt und zu Sebastians Enttäuschung verstehen die beiden sich direkt äußerst gut. Elke ist Punkerin und lädt zu einer Feier in einem besetzten Haus ein, Erik ist natürlich direkt Feuer und Flamme, Sebastian sagt widerwillig zu. Während das Schauspiel dieser möglichst authentisch wirken müssenden, längeren Dialogszenen teils etwas ungleichmäßig ist, wissen Framing und Perspektive stets zu gefallen. Und während Sebastian allgemein kein Verständnis dafür zu haben scheint, dass Erik nun mit dieser Punkerin anbändeln will, sich als unpolitisch bezeichnet und beide Extreme verachtet, eifersüchtig ist – wenn auch nicht eindeutig ist, auf wen genau… – und frustriert in seinem Zimmer masturbiert, fängt Erik an flüsternde Stimmen zu hören und sieht einen Frosch in der Umkleidekabine, der ihn zu der Silhouette einer wartenden Baumgestalt führt.
 
 

„Folge mir.“

 
 
Einige Streitereien später überzeugt Erik seinen Freund dann doch noch ganz knapp, mit auf die Party zu kommen; auf der Party selber dann stürmt aber eine aggressive Gruppe Neo-Nazis samt Kampfhund den Raum und während gerade Erik und Elke, genannt Elli, sich retten können, wird ausgerechnet der unpolitische und unfreiwillig überhaupt Besucher seiende Sebastian aufs Übelste verprügelt, zumal Mobber Patrick und sein Bruder scheinbar Teil der Nazigruppe sind. Elli und Erik verhalten sich merkwürdig gelassen und albern herum, trotz des tragischen Vorfalls.
 
 

Kapitel II: Das Moor

 
 
Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden startet Julian Richbergs Genrebiest nach einer griffigen Exposition also sowohl mit den Themen deutscher Vergangenheit, ihrer Bewältigung und Spuren, als auch dem Andeuten überatürlicher, symbolhaft zu verstehender Genreszenen und einer Gewaltspirale, deren Eskalation sowohl im Freundeskreis, als auch in der Schule, auf dem Dorffest oder in den eigenen vier Wänden zu spüren ist. Sebastian fragt seinen Großvater explizit wie es sich denn anfühlt Juden zu vergasen, nachdem ihn seine nahezu geschichtsrevisionistische, Fakten unter den Teppich kehrende, aber auch Mitleid mit ihrem kranken, alten Vater habende Mutter ihn derart gereizt hat mit ihrer Art, Erik macht derweil einen grausigen Fund und wacht blutverschmiert im Wald auf.
 
 

„Entweder du bist Nazi oder Punk oder Teil der willenlosen Schafe.“

 
 
Dass jeder dieser Stränge sich irgendwann zum Nachteil aller Beteiligten entladen wird ist dabei genau so klar, wie dass hier zugleich Gesellschaftsstudie, Kommentar zum politischen Klima Deutschlands, Coming-of-Age-und-Sozialdrama, Horrorfilm und arthousig metaphorisch erzählte Waldwesen-Szenen zu einem gerade einmal 76-minütigen Langfilmdebüt vermengt wurden, wie es eigentlich nur überambitioniert zu Boden fallen und fehlschlagen kann. Doch, siehe da: Es funktioniert. Denn auch wenn es ungewohnt und ggf. gar etwas trashig wirkt, wenn die unheilvollen Flüsterstimmen auf Deutsch statt Englisch ertönen, auch wenn das Kunstblut leider viel zu hell ist und einige Reaktionen oder Handlungen unserer Charaktere imo absolut unnachvollziehbar sind – allein der Mut, eine prinzipiell gerne auch mal mit erhobenem Zeigefinger handzahm und langweilig, öffentlich-rechtlich inszenierte Geschichte wie diese so frech, eigenartig und originell abzudrehen, verdient dickes Lob und vollsten Zuspruch.
 
 

Kapitel III: Die Schatten zwischen den Bäumen

 
 
Zugegeben, die Rolle der jungen Punkerin Elli, die natürlich eine anrüchige Vergangenheit hat in der Dinge „halt passiert“ sind und die sich natürlich geritzt hat, wirkt etwas zu klischeehaft und ohne weiteren Belang aus dem Leben gegriffen, Sebastians mehrfache Aussagen bezüglich der Radikalisierung auf dem Dorf sind auch etwas zu holzhammerhaft und offensichtlich geschrieben. Doch dass die beste der Genreszenen mir wirklich eine Gänsehaut zaubern konnte, die Gewalt hier stets schmerzhaft und realistisch rüberkommt und mir teils naheging, der Handlungsort authentisch und überzeugend ist und ich mich an diverse Meisterwerke ihres Genres erinnert gefühlt habe in den jeweiligen Szenen, inklusive idyllischer, natürlicher Flirtereien im Grünen, scheint ein Großteil von „Arboretum“ schon wirklich zu funktionieren.
 
 

Kapitel IV: Teenage Werwolf

 
 
Zu großen Teilen liegt das an Hauptdarsteller Oskar Bökelmann, den Kinofans vielleicht schon im Kriegsdrama „Land of Mine“ gesehen haben, aber auch viele der realistischen, trotzdem hübsch komponierten Bilder von Elias C.J. Köhler leisten ihren Beitrag dazu bei. Und sollte ein Zuschauer eine halbe Stunde vorm Abspann immer noch etwas im Dunkeln tappen was Leitthemen oder Hauptmotive des Films angeht, oder diese zumindest als zu kurz gedacht und trivial abstempeln, so zaubert Richbergs Script noch einen fast schon Haneke-esk inszenierten, durchaus cleveren kleinen subtextuellen Twist hin, bevor ein verdammt emotionaler, verbitterter, mitreißender Monolog folgt, der einen bis dato sehr zurückhaltend agierenden Schauspieler nochmal besonders auszeichnet.
 
 

„Du bist ein guter Kerl. Bleib ein guter Kerl.“

 
 

Letztes Kapitel

 
 

„Es ist soweit.“

 
 
Aus Spoilergründen bin ich schon lange nicht mehr auf die genauen Details der Handlung eingegangen, aber allein schon der Titel des letzten Kapitels könnte hier etwas vorwegnehmen. Die Ereignisse spitzen sich auf weder allzu originelle, noch vorhersehbare oder enttäuschende Weise zu, mit bitterer Konsequenz und mutigen letzten Sekunden. Dass sich die eine Metapher des Films wirklich noch ausbuchstabieren und übererklären muss zeigt zwar, wie wenig man dem deutschen Genrepublikum inzwischen noch zutraut, aber Lichtjahre entfernt vom nächsten „Heilstätten“ ist ein solcher Beitrag hier trotzdem und ich hoffe sehr, dass „Arboretum“ veröffentlichungstechnisch in Deutschland auch mindestens so wertig repräsentiert wird, wie seinerzeit „Der Nachtmahr“ – denn eine Entdeckung wert ist diese kleine Indie-Perle auf jeden Fall und ich hoffe schwer, dass sich zwischen Filmen wie diesem hier, Werken wie „Der Samurai“ und zum Beispiel „Luz“ ein neues, metaphorisch aufgeladenes, genretreues und doch originelles, sozial relevantes Genrekino für die nächste Generation finden lässt.
 
 
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ARBORETUM – Fazit

 
 
7 Punkte Final
 
 
Mutiges, kurzweiliges, spannendes deutsches Genrekino zwischen Donnie Darko und Elephant, Sozialdrama und Genrefilm, Gesellschaftsanalyse und Indie-Fingerübung, die jede Entdeckung und Sichtung wert ist.
 
 
 


 
 
 

ARBORETUM – Zensur

 
 
 
Auch wenn „Arboretum“ seine Brutalität größtenteils nicht zeigt oder überhaupt physisch gestaltet, haben die ernsten Grundthemen und der Realismus hier für eine FSK 16 gereicht. Der Streifen ist in seiner Heimkinoveröffentlichung ungeschnitten.
 
 
 


 
 
 

ARBORETUM – Deutsche Blu-ray

 
 
 
ARBORETUM-bluray

(c) Meteor Film (Blu-ray im KeepCase)

 
 
 

TECHNISCHE DATEN


Originaltitel: Arboretum; Deutschland 2020

Genre: Horror, Mystery, Thriller, Drama

Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1

Untertitel: Deutsch

Bild: 2.39:1 | @23,976 Hz

Laufzeit: ca. 80 Min.

FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)

Verpackung: KeepCase

Extras: Trailer, Trailershow, Interview mit Regiesseur Julian Richberg, Audiokommentar von Benedikt Wilken und Maximilian Scholz (Deep Red Radio)

Release-Termin: KeepCase: 31.03.2023

 

Arboretum [Blu-ray im KeepCase] ungeschnitten auf AMAZON bestellen

 
 


 
 
 

ARBORETUM – Trailer

 
 


 
 
 

Alexander Brunkhorst

(Rechte für Grafiken liegen bei Stadtfuchs Media | Meteor Film)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Donnie Darko (2001)
 
Elephant (2003)
 
Der Samurai (2014)