Filmkritik: „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ (1970)

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ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS

(THEY CALL ME MISTER TIBBS!)

Story

 
 
 
Detective Virgil Tibbs ermittelt in San Francisco im Fall einer ermordeten Prostituierten. Im Kreis der Verdächtigen finden sich ein unsauberer Hausbesitzer mit Verbindungen ins Rotlichtmilieu und ein exaltierter Straßenprediger, der sich als zeitgemäßer Vermittler zwischen den Rassen und sozialen Schichten inszeniert. Nachdem die Spur fälschlicherweise zum Hausmeister der Wohnung des Opfers führt, muss Tibbs umdenken.

 
 
 


 
 
 

ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS – Kritik

 
 
Geiler Seventies-Thriller mit einer knackigen Besetzung. Sidney Poitier ist das am härtesten gekochte Ei am Platz, der immer kurz vorm Überschnappen stehende Martin Landau stiehlt ihm als Mann Gottes fast die Show und mit den Baddies Ed Asner und Anthony Zerbe, rappelt auch die Nebenrollencrew im Karton. ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS ist die zweite von drei Verfilmungen der an die zehn Bücher über den schwarzen Polizisten des Titels. Verspätet, in den Achtzigern, erscheint – fast wie ein kleines Revival – noch eine Fernsehserie. Auf Sidney Poitier in der Hauptrolle muss hierbei aber, zu Gunsten von Howard Rollins, verzichtet werden. Dafür spielt Rod Steiger erneut seine Oscar-Rolle aus dem Original. Im Gegensatz zu IN DER HITZE DER NACHT, diesem legendären und vielfach mit Preisen prämierten Vorläufer, ermittelt Virgil Tibbs diesmal nicht im schwer rassistischen Backwoods-Setting des Bundestaates Mississippi. Er ist Detective bei der Polizei von San Francisco, was sich auch in der Filmmusik aus der Feder des großen afroamerikanischen Produzenten Quincy Jones widerspiegelt. Statt mit ländlichen, von heimeligem Countryklang beeinflussten Stücken wird die Action diesmal von rhythmischen Funk-Sounds, die besser zum urbanen Background der nordkalifornischen Metropole passen, unterstrichen.
 
 
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Aber nicht nur musikalisch und vom städtischen Handlungsort her wird einem ganz besonderen, beliebten Genre der Steigbügel gehalten: Blaxploitation, also das dezidiert schwarze Action- und Kriminalkino, das in den Siebzigern das große Ding in den Filmtheatern der Vereinigten Staaten wird, ist ohne eine emanzipierte Heldenfigur wie Sidney Poitiers hartgesottenem Bullen Virgil Tibbs kaum denkbar. Die Ursprünge von SHAFT, SUPERFLY und vielen anderen der von Kultstars wie Fred Williamson oder Jim Brown verkörperten Leinwandmachos liegen deutlich hier.
 
 
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Dazu passt auch hervorragend der Originaltitel des Films. Auf Englisch heißt er nämlich THEY CALL ME MISTER TIBBS. Der Satz ist die Antwort, die im ersten Teil der Redneck-Sheriff kassiert, nachdem er den schwarzen Kollegen herablassend fragt, wie ihn die Kollegen im Norden denn anreden. Ein solches Selbstbewusstsein gegenüber Weißen im noch nicht lange von der Segregation befreiten US-Süden ist 1967 ein absolutes Novum in der Popkultur und zeigt den noch immer menschenverachtend miserabel behandelten Schwarzen ihre gesetzlich zugesicherte, in der Realität allerdings längst nicht verankerte Gleichberechtigung auf. Heute, in Zeiten, die eine „Black Lives Matter“-Bewegung notwendig machen, könnte man denken, das Elend ist bis heute noch nicht ausgerottet. Da helfen auch acht Jahre unter der Regierung Obama nur oberflächlich. Vielleicht wird’s ja 2021 besser. Falls Führer Trump nicht noch zum atomaren Knopf langt.
 
 
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ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS – Fazit

 
 
 
7 Punkte Final
 
 
Sehr schön. Wo IN DER HITZE DER NACHT anno 1967 noch eine Krimihandlung mit dem Hinweis zur Selbsthilfe fürs afroamerikanische Publikum verbindet, weiß Virgil Tibbs in der Fortsetzung vier Jahre später schon genau, was er zu melden hat und haupt dem Gesocks der Großstadt den Arsch voll. ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR MISTER TIBBS ist ein unterhaltsamer Blaxploitation-Vorläufer mit funky Soundtrack und für Fans sicher kein Fehlkauf.
 
 


 
 
 

ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS – Zensur

 
 
 
ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS wurde 1970 ungeschnitten in den deutschen Kinos aufgeführt und lief anschließend regelmäßig ungeschnitten im Free-TV. Leider blieb dem Streifen in Deutschland eine VHS-Veröffentlichung verwehrt. Erst 2003 entschloss sich Anbieter MGM zu einer DVD-Veröffentlichung des Sequels. Dank WICKED VISION erfolgt nun eine weitere Heimkinoveröffentlichung – und zwar direkt auf Blu-ray. Die darauf enthaltende Filmfassung ist ebenso komplett und frei ab 16 Jahren.
 
 
 


 
 
 

ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS – Blu-ray

 
 
 
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(c) Wicked-Vision (KeepCase Blu-ray – auf 1.500 Exemplare limitiert)

 
 
 

TECHNISCHE DATEN


Originaltitel: They Call Me Mister Tibbs!; USA 1970

Genre: Mystery, Drama, Krimis

Ton: Deutsch DTS-HD MA 2.0 (Mono), Englisch DTS-HD MA 2.0 (Mono)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bild: 1.85:1 (1080p) | @23,976 Hz

Laufzeit: ca. 109 Minuten

FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)

Verpackung: Scanavo-Box

Extras: Europäische HD-Premiere, 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Thorsten Hanisch, Exklusiv: Audiokommentar mit Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese, Exklusiv: Featurette: „Von Mr. Tibbs zu John Shaft: Neue Stars und Perspektiven“, Originaltrailer, Bildergalerie, DVD mit dem Hauptfilm

Release-Termin: Scanavo-Box: 18.12.2020

 

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ZEHN STUNDEN ZEIT FÜR VIRGIL TIBBS – Trailer

 
 



 
 
 

Christian Ladewig

(Rechte für Grafiken liegen bei Wicked-Vision

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Foxy Brown (1974)
 
In der Hitze der Nacht (1967)
 
Die Organisation (1971)
 
Ein Mann sieht rot (1974)
 
Dirty Harry (1971)
 

Filmkritik: „Rattennest – Kiss me Deadly“ (1955)

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RATTENNEST – KISS ME DEADLY

(KISS ME DEADLY)

Story

 
 
 
Privatdetektiv und generelles Wrack Mike Hammer verdient seine Brötchen mit Kleckerkram wie dem Ausspionieren untreuer Ehegatten. Eines Abends nimmt er die aus der Klapsmühle ausgebüxte Christina per Anhalter mit. Das Auto wird von Gangstern angehalten und Hammer muss mit ansehen, wie die junge Frau zu Tode gefoltert wird. Jetzt ist der Ehrgeiz des abgerissenen Schnüfflers getriggert und er mischt sich in Dinge ein, die alles übertreffen, was er oder die Zuschauer erwartet haben.

 
 
 


 
 
 

RATTENNEST – Kritik

 
 
 
Meine Damen und Herren, liebe Kinder und Tiere: Hiermit stellen wir, die Heinzelmännchen hinter dem Filmblog Eures Vertrauens, Euch ein veritables Heavyweight unter den Filmen vor. Nicht nur im Bereich Gangsterfilm, im Bereich Film Noir, nö, allgemein ist RATTENNEST, eine kalte Dusche unter den Kriminalfilmen, einer der besten Filme der Fünfziger und gleichzeitig ein Tritt in die Weichteile für den unvorbereiteten Zuseher. Das ultra-pessimistische Genre spielt ja immer mit der Umkehrung von Licht und Schatten, Gut und Böse. Charakterzeichnungen fallen selten eindeutig aus. Dieser Film aus der Meisterhand des großen Robert Aldrich dreht die Regler noch ein paar Grad in Richtung Weltuntergang.
 
 
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So ist Hammer auch nicht weniger skrupellos und mindestens genau so brutal wie die Lumpen, denen er hinterherjagt. Die Fairness des Western-Sheriffs mit weißem Hut geht dem Whiskeytrinker und Faustkämpfer eine Handbreit am Hinterteil vorbei. Er ist an einem Punkt angelangt, an dem ihm Sieg oder Niederlage egal ist, Hauptsache er nimmt ein paar der Anderen mit in die Hölle. Die Figur des „hard boiled“, also hartgesottenen Nihilisten-Detektivs Mike Hammer ist neben der des Philip Marlowe eine der wenigen wiederkehrenden im Kontext der „Schwarzen Serie“ Hollywoods. In den Achtzigern gibt es sogar eine oft gesendete Fernsehserie mit Stacy Keach. Im Original hier wird er von Ralph Meeker gespielt, einem vielbeschäftigten Film- und Fernsehschauspieler, der bereits in dieser frühen Rolle sein Ticket für die ewige Ruhmeshalle ikonengleicher Darstellerleistungen lösen kann.
 
 
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Der Plot, diese halluzinative Reise in die Gedärme der irrealen Stadt Los Angeles, wo Kleinkriminelle im Auftrag einer ganz großen Verschwörung handeln, spiegelt sich in Filmen wider, die noch Jahrzehnte später entstehen und ebenfalls zum anerkannten Kanon amerikanischer Kultfilme gerechnet werden. Da hätten wir zum Beispiel REPO MAN (1984), THE BIG LEBOWSKI (1998) und ganz besonders PULP FICTION von 1994, in dem der geheimnisvolle Koffer, hinter dem in RATTENNEST alle her sind, einen direkten Auftritt hat. RATTENNEST ist ein Film Noir allerhöchster Qualität, ein wahrer Top-Fünf-Film. Wer sich in diesem entdeckenswerten Genre noch nicht auskennt oder noch nicht weiß, wo er anfangen soll: Hier wäre ein guter Vorschlag.
 
 
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RATTENNEST – Fazit

 
 
 
10 Punkte Final
 
 
 
RATTENNEST ist zweifelsohne einer der bedeutendsten Film Noirs. Ein buchstäblich pechschwarzes Meisterwerk des Nihilismus, wie er Hollywood ein paar Jahre später in Zensur-Schwierigkeiten bringen soll. Ein Film für die einsame Insel. Wenn man dort Filme schauen sollte natürlich.
 
 
 


 
 
 

RATTENNEST – Zensur

 
 
 
Das Film-Noir-Thriller-Drama RATTENNEST – KISS ME DEADLY lief damals im Kino gekürzt. Auch die späteren TV-Ausstrahlungen waren nie komplett. Im DVD-Zeitalter änderte sich das aber. Bereits die erste DVD-Veröffentlichung war ungeschnitten und frei ab 18 Jahren. Das ist nun auch bei der erhältlichen Blu-ray der Fall. Die besitzt das rote FSK-Siegel und bietet den Film in der ungeschnittenen Originalfassung.
 
 
 


 
 
 

RATTENNEST – Deutsche Blu-ray

 
 
 
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(c) Koch Films | Explosive Media (Blu-ray im Keepcase)

 
 
 

TECHNISCHE DATEN


Originaltitel: Kiss me Deadly; USA 1955

Genre: Krimi

Ton: Deutsch DTS-HD MA 2.0 (Mono), Englisch DTS-HD MA 2.0 (Mono)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bild: 1.85:1 (1080p) | @23,976 Hz

Laufzeit: ca. 106 Min.

FSK: FSK16 (ungeschnittene Fassung)

Verpackung: KeepCase mit Wechselcover

Extras: Bildergalerie mit seltenem Werbematerial, Original Kinotrailer

Release-Termin: 13.02.2020

 

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RATTENNEST – Trailer

 
 


 
 
 

Christian Ladewig

(Rechte für Abbildungen in dieser Kritik liegen bei Koch Films | Explosive Media)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Asphalt-Dschungel (1950)
 
Die Narbenhand (1942)
 
Tote schlafen fest (1946)