VIOLATION
Story
Eine unglücklich mit ihrem Mann zusammen lebende Frau trifft sich mit ihrer entfremdeten Schwester und deren Freund in idyllischer Naturumgebung, wobei alte Narben wieder aufreißen.
VIOLATION – Kritik
Der Orchestersoundtrack stimmt an Opern oder klassische Musik erinnernde Melodien an und unterlegt damit die ersten Einstellung eines nebligen Sees im Wald, deren Schärfebereich sich langsam verlagert. Anschwellende Vogelgesänge und Zeitlupenaufnahmen eines unfassbar hübschen Wolfes gesellen sich dazu, vermitteln eine Arthouse-Atmosphäre und Naturverbundenheit, bevor Donner einsetzt und Unheil androht.
Angespannte Klänge untermalen nun eine ansonsten stille Autofahrt, verschnitten mit hübsch komponierten, künstlerischen Umgebungsaufnahmen. Ganz im Kontrast zu der auf Eis liegenden Stimmung im Auto des scheinbar unglücklichen Paars steht nun die ausgelassene, freundliche Atmosphäre der Gastgeber; eines jungen Pärchens mit Grundstück direkt am Wald. Die folgenden Szenen charakterisieren unsere Protagonistengruppe nun durch natürliche, glaubhafte und realistische Einstellungen sowie Dialoge, Diskussionen und Andeutungen, präsentiert abermals mit klassischer Musik, gespiegelten Shots, symmetrisch durchkomponierten Bildern der herumtollenden, zu zweit durch den Wald ziehenden, grillenden oder den Trip aufgrund einer langsam kippenden Stimmung verlassen wollenden Handlungsträger. „Handlung“ ist dabei auch ein gutes Stichwort, denn wenn nach knapp einer halben Stunde erstmalig überdeutliches Foreshadowing kommt und durch aufbrausende Geigen erstes Konfliktpotential entdeckt wird, scheint die Richtung schon recht eindeutig – nur bleiben dem Film zu diesem Zeitpunkt noch etwa 80 Minuten für den Ablauf der geteasten Ereignisse und wem das deutlich zu lang vorkommt, der liegt leider wirklich nicht falsch: Denn „Violation“ kann zwar für etwa eine halbe Stunde gewinnbringend seine Charaktere aufbauen, den Konflikt etablieren und in einer sehr langen, unerwartet mutigen Szene für Spannung sorgen – hat danach aber auch wirklich mit enormer Überlänge zu kämpfen.
Die Erzählstruktur dieses Films sorgt nämlich dafür, dass sowohl die Frage nach dem „Was?“ als auch die nach dem „Warum?“ nach weniger als der Hälfte der Laufzeit beantwortet werden, was nur noch weniger interessantes Füllmaterial, Nebenstränge, Detailfragen und natürlich ewige, elegische Zeitlupenszenen mit Chorsoundtrack zur Zwangsästhetisierung lässt, um die restliche Stunde zu füllen. Und während die Aufnahmen des Wolfs zu Beginn des Films noch charmant waren und punkten konnten, hat jede weitere nichtssagende, den Plot auf oberflächlichste Weise metaphorisch noch einmal und noch einmal wiederkauende „Arthouse“-Szene mich später nur noch zum Augen-aus-dem-Kopf-Rollen gebracht. Wann immer die Geschichte sich erzählt, nimmt sie sich viel Zeit für realistische und lange Dialogszenen – diese wären jedoch nur dann clever oder spannend, wüsste man nicht schon längst, worauf das Ganze hinauslaufen wird. Dass die tragisch-unangenehme Schlüsselszene des Films dann noch erneut so ästhetisch und „erhebend“ inszeniert wird, ist dabei nicht ganz unproblematisch, kann ohne Spoiler aber nicht sinnvoll ausdiskutiert werden.
Die Mischung aus ätzend langsamer Arthouse-Überinszenierung, extrem vorhersehbaren – sowie zu dem Zeitpunkt bereits belanglosen – Dialogszenen, einigen schwer nachvollziehbaren Entscheidungen in Schlüsselmomenten und einer immer wieder zu nüchternen, ruhigen und distanzierten Erzählhaltung ist es also, die dafür gesorgt hat dass dieser Film bei mir leider größtenteils für Langeweile gesorgt hat und so gar nicht wirken konnte. Was das jedoch keinesfalls heißen soll, dass „Violation“ ein handwerklich, technisch schlecht gemachter Film sei – das Editing ist zweckdienlich und teils sehr pointiert, die Bilder sind immer wieder überzeugend, das Sound-Design wirkt professionell. Auch der Cast überzeugt durch die Bank weg, gerade Hauptdarstellerin und Regisseurin Madeleine Sims-Fewer liefert eine mitreißende und persönlich wirkende Performance, aber auch Anna Maguire und Jesse LaVercombe wissen ihren Rollen Leben und Charakter einzuhauchen, ohne dass man es hier nur mit sympathischen, nachvollziehbaren Stereotypen zu tun hätte.
Fans simpler, aber psychologisch unterfütterter und hochwertig produzierter Dramen mit Genreeinschlag können „Violation“ also sicherlich mal eine Chance geben, denn wirklich im Argen liegen hier nur das Script sowie eine Szene, was beides subjektiv ist. Von Filmfehlern, einem allzu unrealitischen Plot oder misslungenen Effekten kann hier keine Rede sein – mir hat die Struktur aber trotzdem den Genuß genommen.
VIOLATION – Fazit
Überlanger, erst zu viel zu schnell, dann zu wenig zu langsam erzählender Drama-Thriller mit einigen hübschen Bildern und überzeugend gespielten Parts. Dennoch, wenn ich noch eine verdammte nichtssagende Zeitlupenszene mit Chor im Hintergrund erdulden muss, wars das endgültig mit meiner Toleranz für minimalistische, hochpolierte Langweiler.
VIOLATION – Zensur
„Violation“ wurde im April 2022 erstmals in Deutschland in vier Mediabook-Auflagen veröffentlicht. Diese waren FSK-ungeprüft und ungeschnitten. Mitte Juli 2022 erschien die von der FSK geprüfte Kaufhausfassung im günstigeren KeepCase. Die darin enthaltene Fassung ist ebenso ungeschnitten und frei ab 18 Jahren. Angesichts einiger sehr realistischer Gewaltmomente in Zusammenhang mit Rache-Thematik mutet es seltsam an, dass „Violation“ eine ungeschnittene FSK-Freigabe erhalten hat. Offenbar hatte die FSK einen guten Tag. Vor einigen Jahren wäre ein Film wie „Violation“ niemals komplett durch die FSK gekommen.
VIOLATION – Deutsche Blu-ray
(c) Nameless Media | Eurovideo Medien (Blu-ray im KeepCase)
(c) Nameless Media (Blu-ray + DVD im Mediabook – jeweils auf 444 Stück limitiert)
TECHNISCHE DATEN
Originaltitel: Violation; Kanada 2020
Genre: Horror, Drama, Thriller
Ton: Deutsch DTS-HD MA 5.1, Englisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 2.39:1 (1080p) | @23,976 Hz
Laufzeit: ca. 107 Min.
FSK: Keine Jugendfreigabe (ungeschnittene Fassung)
Verpackung: KeepCase, Mediabook
Extras: Blu-ray gemastert von einem 4K Master, Redband-Trailer, Greenband-Trailer, Treffe die Filmemacher, zusätzlich im Mediabook: Film auf DVD, Booklet
Release-Termin: Mediabooks: April 2022 | KeepCase: 14.07.2022
Violation [Blu-ray im KeepCase] ungeschnitten auf AMAZON bestellen
VIOLATION – Trailer
Alexander Brunkhorst
(Rechte für Grafiken liegen bei Nameless Media | Eurovideo Medien)
Ähnche Filme:
Autumn Blood – Die Zeit der Rache (2013)
Elle (2016)
Get My Gun – Mein ist die Rache (2017)