Filmkritik: „Die Mongolen – Der Raubzug des Dschingis Khan“ (1961)

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DIE MONGOLEN – DER RAUBZUG DES DSCHINGIS KHAN

(I MONGOLI | THE MONGOLS)

Story

 
 
 
Polen, um 1240. Dschingis Khans Mongolenheer ist mordend und brennend nach Osteuropa vorgedrungen. Das riesige Heer wird angeführt von Ogatai Khan (Jack Palance), Khans einzigem Sohn. Von unbändigem Ehrgeiz und seiner Geliebten Hulina (Anita Ekberg) getrieben, plant dieser, die Länder des Westens zu überrennen. Und als Stefan von Krakau (Franco Silva) mit einem Friedensangebot des polnischen Königs in das Lager der Mongolen kommt, versucht der kampfbesessene, vom blinden Eroberungswillen gepackte Ogotai, diese Friedensmission zu durchkreuzen. Er setzt alles daran, den Gesandten Polens zu diskreditieren und die Polen zu einer entscheidenden Schlacht zu zwingen…
 
 
 


 
 
 

DIE MONGOLEN – Kritik

 
 
 
Einen Historienschinken der 60er gucken? In unserer schönen neuen Zeit der glatt polierten Epen? Lohnt sich das? Für den geneigten Betrachter scheint so ein Spektakel in doppelter Hinsicht interessant, da hier eine doppelte Diachronie vorliegt: zunächst präsentiert sich dem Beobachter ein Ereignis vergangener Jahrhunderte und gleichzeitig wird dieses durch Technik und Darsteller eines vergangenen Filmzeitalters realisiert. Die Betrachtung eines Historienschinkens kann sozusagen als eine doppelte Zeitreise zu einem großartigen Erlebnis werden. Ob auch der Klassiker Die Mongolen – Der Raubzug des Dschingis Khan so ein Erlebnis bieten kann, soll im Folgenden ausklamüsert werden.
 
 
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Der Raubzug des Dschingis Khan aktiviert gleich in den einleitenden Szenen zahlreiche Stereotype einer europäischen Vorstellungswelt: Fernöstlich gekleidete Reiter, von der Steppensonne braun gegerbt, gallopieren auf wilden Pferden mit ebenso wilden asiatischen Gesichtszügen durch eine sattgrüne, europäisch wirkende, Landschaft. Dazu erklingt ein düsterer und stimmiger Soundtrack von Mario Nascimbene, der auch eine Invasion der Orks im gemütlichen Hobbingen beschreiben könnte. Die ersten Bilder sind in all ihrer Stereotypie erstaunlich ergreifend für einen sechzig Jahre alten Historienschinken. Insbesondere der einleitende Soundtrack verschmilzt nahtlos und brillant mit dem Hufgetrappel der nomadischen Pferdezucht. Gleich zu Beginn des Films wird deutlich, dass hier eine einwandfreie Übersetzung von Musik und Bild in moderne Formate gelungen ist. Natürlich kann der Film hinsichtlich Qualität mit den heutigen Standards nicht mithalten, gleichzeitig verleiht aber auch die mangelnde Schärfe der Aufnahmen und die verzerrte Musikwiedergabe dem Schinken ein besonderes Flair, das ein wenig an eine museale Attraktion erinnert.
 
 
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Zudem werden schon in den ersten Minuten des Films Elemente sichtbar, die im heutigen Kontingent cineastischer Inszenierungen keinen Raum mehr finden. Der avantgardistische Stil des Soundtracks beschreibt anfangs mit rhythmisch-subtilen und bedrohlichen Klängen den Ritt der Mongolen, nach und nach mischt sich dann ein klassisches europäisches Thema in die rhythmische Beschreibung des Mongolensturms. Die Klänge vereinen sich und werden zu einer schrägen Fusion verschiedener Stilistiken. Bereits in den ersten Minuten passiert hier musikalisch mehr als sich heute irgendein Blockbuster trauen würde. So wird auch im weiteren Verlauf des Films Nascimbenes Komposition zu einer treibenden Kraft, die aber leider durch eine verzerrte Soundaufnahme und einen überzogenen Avantgardismus immer weiter ins Nervtötende abgleitet.
 
 
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Dem wilden Mongolensturm der Anfangssequenz steht bereits in der zweiten Szene eine kühle europäische Versammlung entgegen. Die chaotischen Elemente der Introduktion weichen der europäischen Rationalität. Das Chaos muss weichen, wenn eine sachliche Abwägung zwischen Argument und Gegenargument stattfinden soll. Der genretypische Antagonismus zwischen den wilden, östlichen Steppenvölkern und der zivilisierten, europäischen Hochkultur wird so bereits in den ersten Szenen des Films vollständig bedient. Eine effektive Verstärkung erfährt diese jahrtausendealte Dichotomie durch die Wahl der Schauspieler: allen voran, kann Jack Palance in der Rolle des Ogatai Khan als reine Manifestation des Barbaren glänzen: Alles an ihm ist triebhaft und wild. Rationales Denken taucht bei Ogatai nur auf, um die Affekte zu verteidigen und ihnen freien Lauf zu lassen. Mit Aussprüchen wie “Ich lebe für den Krieg! Ich will keinen Frieden!” wird Palance zu einer zerstörerischen Gewalt, die auch durch seine wilde Gestikulation wie eine Feuersbrunst wirkt, die unsere zivilisatorischen Errungenschaften aufzuzehren sucht. Während andere Schauspieler hier noch in den statischen Bewegungen der alten Schauspielschulen ihre Dialoge herunter säuseln, wirkt Palance wie eine Galionsfigur des neuen Hollywood, die gerade eben aus dem Boxring gestiegen ist.
 
 
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Anita Ekberg ist demgegenüber als Ogatais hintertriebene asiatische Sexsklavin vollkommen fehlbesetzt. Bei ihr ist so überhaupt gar nichts von irgendeinem wilden Nomadenstamm, dem sie als Hulina entspringen soll, zu spüren. Ganz im Gegenteil ist Ekberg die schwedische Herkunft ins Gesicht geschrieben, weder ihr Schauspiel noch ihre Züge enthalten irgendetwas von der Figur, die sie verkörpern soll. Auch andere Hauptdarsteller wie Franco Silva als Stephan von Krakau erscheinen blass und uncharismatisch neben Palance. Letztendlich wird so ein riesen Haufen rückständiger Elemente mit progressiven vereint: moralisch einwandfreie Edelmänner und holde Jungfern konservieren die Tugenden einer althergebrachten Schauspielschule und stehen neben einer musikalischen Komposition, die noch dem wildesten Avantgardisten die Haare zu Berge steigen lässt. Mittendrin steht der im Feuer tanzende Jack Palance, der alle Grenzen einer uralten Dichotomie mit seinem flammenden Schwert und männlich-barbarischer Gewalt einzureißen sucht.
 
 
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Obowohl diese Bilder nun sechzig Jahre alt sind, haben die präsentierten Stereotype nichts an Kraft verloren. Auch heute zehren Epen wie die erfolgreiche HBO-Serie Game of Thrones mit Charakteren wie Khal Drogo von der gleichen Vorstellungswelt. Ogatai reitet heute als Drogo mit der goldenen Horde, die sich nun Dothraki nennt, kriegslüstern durch die Steppen und sehnt sich danach, den zivilisierten Westen zu unterjochen. Auch heute noch feiern die Dothraki-Mongolen wilde Feste, bei denen Massenvergewaltigungen und blutrünstige Schaukämpfe zur Tagesordnung gehören. Differenzierter wirken heute hingegen die Charakterzeichnungen der Barbaren: Khal Drogo wird wesentlich kühler und machtbewusster in Szene gesetzt. Der Barbarenführer ist heute nicht mehr rein affektiv und triebgesteuert, sondern verfolgt ähnlich wie sein zivilisierter Konterpart, einen kaltblütigen Plan während er nur eine ganz menschliche Schachfigur in einem noch viel größeren Spiel ist. Dennoch muss auch Khal Drogo von der westlich sozialisierten Daenerys zunächst korrekt erzogen werden, um eine Form der gleichberechtigten Sexualität ausleben zu können. Die Dothraki benötigen wiederum einen machtbewussten Herrscher westlicher Herkunft, der ihre Kräfte bündeln und organisieren kann.
 
 
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DIE MONGOLEN – Fazit

 
 
 
3 Punkte Final
 
 
 
Ich denke, dass eben diese fortlaufende Wiedergabe kultureller Stereotype alte Filme so sehenswert macht. Bei einer reflektierten Betrachtung können zahlreiche Parallelen beobachtet werden, die zeigen, dass jenseits der technischen Möglichkeiten die wirklichen Unterschiede zu aktuellen Titeln äußerst gering sind. Das ändert leider nichts an der Tatsache, dass der Unterhaltungswert des vorliegenden Mongolenschinkens aufgrund der zahlreichen Unzulänglichkeiten sehr niedrig ist. Auch die 60er Jahre können hier nicht als Entschuldigung für die schlechte schauspielerische Leistung, eine grauenhafte Storyline und eine wenig überzeugende Gesamtdarstellung vorgetragen werden. Schließlich sind Klassiker wie Spartacus von Stanley Kubrick oder Ben Hur mit Charlton Heston in der gleichen Filmepoche erschienen und in allen Bereichen der Filmkunst wesentlich besser gelungen.
 
 
 


 
 
 

DIE MONGOLEN – Zensur

 
 
 
Die deutsche Fassung von „Die Mongolen – Der Raubzug des Dschingis Khan“ ist ungeschnitten und frei ab 12 Jahren. Das war bereits bei der damaligen Kinoauswertung der Fall und hat sich seither nicht geändert.
 
 
 


 
 
 

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TECHNISCHE DATEN


Originaltitel: I mongoli; Italien 1961

Genre: Historienfilme, Abenteuer, Action, Drama

Ton: Deutsch DTS-HD MA 2.0 (Mono), Italienisch DTS-HD MA 2.0 (Mono), Französisch DTS-HD MA 2.0 (Mono)

Untertitel: keine

Bild: 2.35:1 | @23,976 Hz

Laufzeit: ca. 116 Min.

FSK: FSK12 (ungeschnittene Fassung)

Verpackung: KeepCase | Mediabook

Extras: Kein Bonusmaterial | zusätzlich im Mediabook: Booklet, Hauptfilm auf DVD

Release-Termin: Mediabook + KeepCase: 17.03.2023

 

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DIE MONGOLEN – Trailer

 
 


 
 
 

Oleg Katschingski

(Rechte für Grafiken liegen bei White Pearl Classics / daredo)

 
 
 
Ähnche Filme:
 
Spartacus (1960)
 
Ben Hur (1959)
 
Cleopatra (1963)
 
Dschingis Khan: Die Legende der 10 Reiter (2012)
 
Dschingis Khan – Sturm über Asien (2009)
 
Dschingis Khan (1965)
 

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